Die besten Krimis 2023: Empfehlungen für den September
Mit Hochspannung in die Herbstsaison: Die besten Krimis im September 2023 mit Dennis Lehane, Karin Smirnoff und Heather Levy.
Die Herbstsaison startet mit viellen Knallern: Allen voran natürlich Karin Smirnoff, die die „Millennium“-Reihe von Stieg Larsson fortsetzt und den Stab von David Lagercrantz übernimmt. Ist also „Verderben“ auf unserer Liste der besten Krimis im September 2023 schon als Gewinner gesetzt? Ein hochkarätiger Konkurrent ist Dennis Lehane. „Sekunden der Gnade“ spielt im Boston des Jahres 1974, als Schwarze und Weiße in verschiedenen Vierteln gelebt haben – und mit einem Mord wirbelt Lehane das Schwarz-Weiß-Denken gehörig durcheinander.
Yrsa Sigurdardóttir bestätigt die alte Skandi-Noir-Faustregel: Je näher am Polarkreis, desto grausamer das Gemetzel. Holt „Nacht“ so die Spitzenposition auf unserer Liste der besten Krimis im September 2023? Außenseiterchancen haben auch Johannes Seiffert und Günter Gräßler, die beide im Team Trenchcoat spielen. Oder dominiert ein Klassiker in schicker Neuausstattung unsere Liste der besten Krimis im September 2023? „Mord braucht Reklame“ hat Dorothy L. Sayers vor genau 90 Jahren geschrieben. Und schließlich ist mit Heather Levy auch eine Newcomerin auf unserer Liste der besten Krimis im September 2023 zu finden.
Die besten Krimis im September 2023
7. Günter Gräßler: Doppelnullagent Nr. 7 Ost
Fetzig die Marakow im Bund der Synthetikhose, einen schnittigen Wartburg 353 vor der Datsche und abends an der Interhotel-Bar neben Kontaktperson „Helga“ mit ein paar Wermut-Flip die Methode „Romeo“ einleiten? Da hat man vielleicht ein etwas falsches Bild von einem Leutnant der Operativen Außengruppe aus der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. Erhellend ist in diesem Fall die Autobiografie von Günter Gräßler, der tatsächlich die Dienstausweis-Nr. 007 bekommen hat. Zwischen Selbstironie und Stolz reflektiert er eine Agententätigkeit, die durch akribischem Bürodienst eine raffinierte Unterwanderungsmethode ermöglicht hat.
edition berolina, 2023, 304 S., 19,99 Euro
6. Johannes Seiffert: Ein Leben für die Spionage
Lässig eine Walther PPK im Schulterholster, einen Aston Martin DB10 mit Sonderausstattung vor der Tür und abends an der Bar neben einer verführerischen Begleitung ein paar geschüttelte Martinis in sich hineinschütten? Da hat man vielleicht ein etwas falsches Bild von Spionen. Erhellend sind in diesem Fall fünfzehn spannende Porträts von bekannten und unbekannten historischen Persönlichkeiten. Ob Mata Hari, Lawrence of Arabia oder Kim Philby: Nicht nur waghalsige Aktionen und abenteuerliche Versteckspiele stehen im Fokus, sondern auch Verrat und tragisches Scheitern. Ein Kompendium, das quer durch die Jahrzehnte führt und den etwaigen Wunsch nach einer eigener Agentenkarriere vielleicht doch infrage stellt.
edition berolina, 2023, 240 S., 14,99 Euro
5. Dorothy L. Sayers: Mord braucht Reklame
„Die Werbung ist ein völlig anderes Verbrechen als der Rauschgifthandel.“ Gentleman-Ermittler Lord Peter Wimsey ermittelt undercover in einer Werbeagentur, um die dubiosen Umstände des tödlichen Treppensturzes eines Texters aufzuklären. Dabei entdeckt er nicht nur sein Talent für Werbeslogans, sondern kommt auch heimlichen Drogengeschäften auf die Spur. Den achten Band der beliebten Krimireihe schrieb Dorothy L. Sayers vor genau 90 Jahren. Jetzt erscheint er in schicker Neuausstattung. Ein Klassiker von zeitloser Eleganz, der immer wieder großen Spaß bereitet. „Wieso? Soweit ich sehen kann, sind Werbeleute auch nur Rauschgifthändler.“
Wunderlich, 2023, 464 S., 20 Euro
Aus d. Engl. v. Otto Bayer
4. Heather Levy: Der süßeste Tod
Pornokategorien entstehen nicht von ungefähr, und so hat Stiefverwandtschaft durchaus Potenzial für erotische Fantasien. Eine fremde Person dringt in das Familiengefüge, Grenzen der Intimität werden durch ihre Anwesenheit überschritten. Das kann Pein oder Prickeln verursachen. Oder beides. Bei der 16-jährigen Sam steht fortan nicht mehr der liebe Daddy, sondern der strenge Stiefvater Isaac am Bett. Zunächst nur in ihrem Kopfkino, wenn sie sich beim Solosex-Breathplay lustvoll mit der Kuscheldecke würgt.
Später raubt er ihr buchstäblich den Atem – und Sam turnt das ordentlich an, obwohl sie doch eher auf ihren fast gleichaltrigen Stiefbruder Eric steht. Sam weiß nicht, wie sie mit ihrer masochistischen Neigung umgehen soll, sie kennt ihre Grenzen noch nicht. Das nutzt Isaac aus, um Sam nach seinem Willen zu missbrauchen. Und er fügt ihr Schmerzen zu, die nicht zu ihren Fantasien passen … 15 Jahre später erfährt Sam vom Tod ihres ehemaligen Peinigers. Sie kehrt zu Eric ins ländliche Oklahoma zurück und glaubt nicht, dass ihr Stiefbruder ein Mörder ist. Doch sie muss erkennen, dass einige Teile ihrer Patchwork-Familie ziemlich schräg zusammengenäht sind – und das hat gefährliche Folgen …
Heather Levy wagt in ihrem eindringlichen Debüt den Blick auf Gewalt, die zwischen Unterwerfung und Selbstbehauptung zu entgleiten droht.
Polar, 2023, 350 S., 17 Euro
Aus d. Engl. v. Kathrin Bielefeld
3. Yrsa Sigurdardóttir: Nacht
Es gilt die alte Skandi-Noir-Faustregel: Je näher am Polarkreis, desto grausamer das Gemetzel. Und wenn sich gar der Isländer Karl übergeben muss, wird es wohl schon ziemlich heftig sein. Blicken wir ihm also mal spaßeshalber über die Schultern: Der einsam gelegene Hof Hvarf liegt an einem idyllischen Fjord in der Region Vesturland. Geschmackvoll restauriert, opulent ausgebaut, allerhand Viehzeug – nur im Wohnhaus diese Blutspritzer an den Wänden und dann der penetrante Verwesungsgeruch. Was von Ása Bjartmarsdóttir, den beiden Teenagertöchtern und der 25-jährigen Haushaltshilfe Sóldís übriggeblieben ist, wechselt seit einer Woche unappetitlich den Aggregatzustand.
Polizist Týr und Gerichtsmedizinerin Iðunn können einen natürlichen Tod ausschließen: Hier hat jemand die Axt geschwungen und die Bewohnerinnen erbarmungslos abgeschlachtet. Vom Familienvater Reynir fehlt jede Spur – er könnte der Täter sein. Doch warum? In Rückblenden zieht Yrsa Sigurdardóttir nach und nach die Spannung an. Mit Wissen um die furchtbaren Schicksale schleichen sich auf Hvarf die Vorboten des Grauens in die gewohnten Tagesabläufe ein. Ein mysteriöser Pferdemann taucht auf, der Klempner findet keine Ursache für den merkwürdigen Mief im Keller, die Internetverbindung fällt aus, und ein Schneegestöber wütet … Es wird deutlich, dass der Täter nach etwas sehr Wertvollem sucht – und das ist definitiv nicht in der schweren Reisetasche, die so verdächtig stinkt …
btb, 2023, 432 S., 18 Euro
Aus d. Isländ. v. Anika Wolff
2. Karin Smirnoff: Verderben
In der Nähe der Kleinstadt Gasskas soll ein zukunftsweisender Windpark entstehen. Die Aussicht auf fette Gewinne lockt nicht nur Spekulanten, sondern auch kriminelles Gesocks an: Längst hat sich schon ein berüchtigter Bikerklub vor Ort breitgemacht. Die Teenagerin Svala hat zwar kein Schmerzempfinden, leidet jedoch unter ihrem zwielichtigen neuen Stiefvater, der bei den Motorradgangstern mitmischt. Außerdem ist ihre Mutter spurlos verschwunden. Da trifft sich gut, dass gerade jemand zu ihrer Vormundin ernannt wurde, der Karate kann und am Computer nicht nur den Pizzaservice ergoogelt: Tante Lisbeth Salander! Svala ist erstaunt, dass sie ihr ihr zeigen muss, wie man feucht durchwischt, und die Tante aussieht wie die Schauspielerin Noomi Rapace (die in einer schwedischen Kinoverfilmung Salander verkörpert hat). Lisbeth hat natürlich keine Ahnung, von wem Svala da spricht. Es gibt für sie auch Wichtigeres, denn neben ihrer auffällig zahlenbegabten Nichte steckt auch Mikael Blomkvist wieder mal in Bedrängnis.
Heyne, 2023, 464 S., 24 Euro
Aus d. Schwed. v. Lena Flegler
1. Dennis Lehane: Sekunden der Gnade
Eine Mutter mit Wut im Bauch und einem Teppichmesser in der Hand sollte niemals unterschätzt werden. Mary Pat Fennessy sucht ihre 17-jährige Tochter Jules, die eines Abends nicht nach Hause kommt. Sie ahnt das Schlimmste, doch hier in South Boston mit seiner prekären weißen Bevölkerung vertraut man in solchen Situationen nicht mehr auf die Hilfe der Cops.
Mary Pat, die nach den Ehemännern und ihrem Sohn nicht auch noch den letzten Halt im Leben verlieren will, ist bei ihrer verzweifelten Suche zu allem entschlossen und geht nicht gerade zimperlich vor. Sie knöpft sich die halbstarken Kifferjungs der Butler-Crew vor, mit der Jules vermutlich abgehangen hat. Zunächst schlitzt sie an deren Weichteilen rum oder setzt dann sogar Heroin als Wahrheitsdroge ein, um verlässliche Hinweise zu bekommen. In der Nacht von Jules’ Verschwinden ist nämlich auch etwas geschehen, von dem niemand gerne spricht: Vier weiße Kids jagen den schwarzen Jugendlichen Auggie, der zur falschen Zeit im falschen Viertel auftaucht. An einer Bahnhaltestelle stürzt er vor einen einfahrenden Zug und stirbt. Ein tragischer Unfall – oder gar Mord? War etwa Jules daran beteiligt?
Dennis Lehane erzählt die intensive Geschichte vor dem historischen Hintergrund, dass es 1974 einen richterlichen Beschluss gegeben hat, der zur Überwindung der Rassentrennung an den Schulen Bostons führen sollte: Busse bringen einen Prozentsatz von schwarzen Schüler:innen aus dem Stadtteil Roxbury in die Schulen nach South Boston. Umgekehrt sollen Weiße nach Roxbury, dem vorwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel. Auch Jules war unter den Ausgelosten und durfte nicht mehr ihre bisherige Highschool besuchen.
Diese „Busing“-Maßnahme entfacht vehemente Gegenwehr in der von Armut gezeichneten irisch-stämmigen Arbeiterklasse, die schwarze Jugendliche mit kriminellen Drogendealern gleichsetzt. Auf Protestkundgebungen entlädt sich der Frust, und bald werden die ersten Ziegelsteine auf Busse geworfen. Die 42-jährige Mary Pat steht exemplarisch für die Abhängten in dem verwahrlosten Wohnviertel, das von Marty Butlers Gangsterbande kontrolliert wird. Selbst mit zwei Jobs kann sie die Gasrechnung nicht bezahlen und soll jetzt hinnehmen, dass ihr auch noch die einzige Tochter genommen wird?
Diogenes, 2023, 400 S., 26 Euro
Aus d. Engl. v. Malte Krutzsch
Riskieren Sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Krimis im August 2023