Die besten Krimis 2024: Empfehlungen für den September
Der Herbst wird mörderisch: Die besten Krimis im September 2024 mit Voosen | Danielsson, Tana French und Yrsa Sigurdardóttir
Tana French schreibt zeitgemäße irische Krimis, bedient sich dabei aber auch mal bei einem verstaubten Genre. Schafft sie es mit „Feuerjagd“ an die Spitze unserer Liste der besten Krimis im September 2024? Härteste Konkurrent:innen sind wohl Voosen | Danielsson. Das Autorenpaar Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson startet eine neue Serie – und konfrontiert sein Ermittlerduo gleich in „Tode, die wir sterben“ mit viel Konfliktpotenzial. Oder führt Lisa Sandlin unsere Liste der besten Krimis im September 2024 an? „Der Auftrag der Zwillinge“ ist der dritte Band ihrer starken Serie und spielt 1973 vor dem Hintergrund staatlicher Intrigen.
Auch die isländische Queen des Nordic-Noirs steht auf unserer Liste der besten Krimis im September 2024 – und Yrsa Sigurdardóttir will mit „Rauch“ natürlich hoch hinaus. Ralf Langroth beweist erneut das richtige Gespür, wenn er reale Ereignisse und Personen der Zeitgeschichte als Impulsgeber für rasante Spannung- und Spionagegeschichten in Szene setzt. So zählt auch „Mauern und Lügen“ auf unserer Liste der besten Krimis im September 2024 zum Favoritenkreis. Oder ist es am Ende ein Klassiker, der unsere Liste der besten Krimis im September 2024 dominiert? „Die Narren sind auf unserer Seite“ von Ross Thomas erscheint beim Alexander Verlag in einer Neuauflage.
Die besten Krimis im September 2024
6. Lisa Sandlin: Der Auftrag der Zwillinge
„Du Arschloch! Soll das ein fairer Kampf gewesen sein?“ „Sieht das hier vielleicht wie eine Turnhalle aus?“ Bei einer Hinterhofschlägerei drückt Tom Phelan seinen Daumen in ein Nasenloch des Gegners, um den Kampf zu gewinnen. Auch Jahre später setzt er als Detektiv in Beaumont, Texas auf unkonventionelle Methoden, wenn er zusammen mit seiner cleveren Sekretärin Delpha Wade einen vertrackten Fall aufklären soll: Angeblich wird in einem Gefängnis langsam eine Frau vergiftet. Auch Delpha selbst saß dort lange Jahre hinter Gittern … Der dritte Band der starken Serie spielt 1973 vor dem Hintergrund staatlicher Intrigen.
Suhrkamp, 2024, 365 S., 17 Euro
Aus d. Engl. v. Andrea Stumpf
5. Ross Thomas: Die Narren sind auf unserer Seite
Ein Gefängnisaufenthalt erzwingt nicht selten eine berufliche Neuausrichtung. So auch bei dem Ich-Erzähler Lucifer C. Dye, der Anfang der 1970er eine Geheimdienstoperation in Hongkong vergeigt und im dortigen Knast landet. Nach drei Monaten wird er zwar freigekauft und kann nach San Francisco heimkehren, als US-Spion ist er aber nach seiner Enttarnung nicht mehr einsetzbar. Da kommt der exzentrische Selfmademann Victor Orcutt mit seinem zwielichtigen, aber lukrativ erscheinenden Jobangebot gerade recht: In der (fiktiven) Kleinstadt Swankerton an der texanischen Golfküste will Orcutt mit Dyes Knowhow die dortige Korruption durch gezielte Infiltration und Intrigen auf ein höheres Level hieven und dabei kräftig absahnen. Ein raubeiniger Ex-Polizeichef und ein ehemaliges Callgirl werden dabei zu Dyes Komplizen – obwohl dieser niemandem traut, den er nicht selbst linkt. Dye tarnt seine generelle Apathie als Lässigkeit, erschleicht sich das Vertrauen eines von der Mafia unterstützten örtlichen Politikers und dreht Orcutts Plan abgezockt zum eigenen Vorteil, um sich schließlich mit Hilfe seines ehemaligen Arbeitgebers einen schlanken Fuß zu machen.
Der amerikanische Autor Ross Thomas (1926 bis 1995) steht im Verdacht, selbst mal Spion gewesen zu sein. Zumindest verwebt er in seinen ironischen Kriminal- und Agentengeschichten historische Fakten mit Insiderwissen aus seiner Zeit als politischer Berater, diplomatischer Korrespondent und Chefstratege für Gewerkschaftsführer. Scharfsinnig diagnostiziert er einen gesellschaftlichen Verfall in den Zeiten des Kalten Kriegs, den er mit erzählerischer Raffinesse zur Sozialsatire überhöht. Seine egoistischen wie moralisch verkommenen Charaktere in diesem zeitlosen Werk aus dem Jahr 1970 sind skrupellos und stellen Gier vor Loyalität. Mit seinem schnörkellosen Stil führt Thomas durch einen komplexen, aber elegant strukturierten Plot, den er mit raffiniert gesetzten Rückblenden in Dyes Vergangenheit zu einem herrlich bösen Spaß pitcht.
Alexander, 2024, 584 S., 20 Euro
Aus d. Engl. v. Gisbert u. Julian Haefs
4. Yrsa Sigurdardóttir: Rauch
Kann man eine isländische Leiche allein anhand des selbstgestrickten Pullovers identifizieren, den sie trägt? Eine fünfköpfige Clique fährt zur Beerdigung einer an Krebs verstorbenen Freundin auf eine der Westmännerinseln vor der rauen Südküste Islands. In deren Haus finden sie im Keller eine mumifizierte Kommilitonin aus Studientagen, die anscheinend damals bei einer gemeinsamen Party im Drogenrausch ihr Leben ausgehaucht hat. Ein tragischer Unfall? Ein vertuschter Mord? Thrillerautorin Yrsa Sigurdardóttir entfacht hieraus gekonnt eine Dynamik, bei der man aus Vermutungen die falschen Schlüsse zieht und innerhalb der Gruppe gegenseitige Beschuldigungen kursieren. Aus anfänglichen Kurzschlusshandlungen entspinnt sich ein leichtsinniger Plan, der buchstäblich zu einem Spiel mit dem Feuer eskaliert. So stößt Gerichtsmedizinerin Iðunn bei ihren Ermittlungen gleich auf mehrere mysteröse Leichen. Wie Yrsa Sigurdardóttir dabei die windumtoste Insel zur Falle werden lässt, zeigt wieder einmal die ganze Klasse der isländischen Queen des Nordic-Noirs.
btb, 2024, 400 S., 18 Euro
Aus d. Island. v. Anika Wolff
TOP 3
3. Ralf Langroth: Mauern und Lügen
Werden Schmerzen dir zur Qual, rasch und sicher hilft Togal! Philipp Gerber vertraut dem damaligen Werbeslogan, nachdem ihn ein heftiger Schlag mit einer Schaffnerzange niedergestreckt hat. Es ist August 1961, und der seit drei Bänden wohlbekannte BKA-Hauptkommissar hält weiterhin den Kopf hin, um den Feinden der noch jungen Bundesrepublik unerschrocken die Stirn zu bieten. Die lauern nicht nur hinter dem eisernen Vorhang, sondern schießen auch mal in Frankfurt am Main scharf. Doch Gerber schläft mit der Browning unterm Kopfkissen, ist mit seinem Opel Kapitän stets zu Stelle, vereitelt Attentate in letzter Sekunde und bezwingt Angreifer zur Not auch nur mit einem Zollstock. So überführt er Doppelagenten, falsche Freunde und alte Kameraden in neuen Uniformen – selbst wenn beim BND der zwielichtige Reinhard Gehlen seine Strippen gegen ihn zieht. Unterstützung und entscheidende Hinweise bekommt Gerber immer wieder von der Journalistin Eva Herden, die schon länger auf seinen Heiratsantrag wartet. Doch die politischen Ereignisse stehen Spitz auf Knopf: Hat da etwa jemand die Absicht, eine Mauer zu errichten? Gut, dass Billy Wilder gerade einen Film dreht und am Brandenburger Tor tüchtig für Trubel sorgt. So kann Gerber unerkannt in den Osten, um noch einem hochrangigen Überläufer die Flucht zu ermöglichen … Ralf Langroth beweist das richtige Gespür, wenn er reale Ereignisse und Personen der Zeitgeschichte als Impulsgeber für rasante Spannungs- und Spionagegeschichten in Szene setzt. Selbst die Adenauer-Ära wird da wieder schmackhaft – auch wenn es in der offenbar streng nach Bratkartoffeln gerochen hat und Männer oftmals eine Doornkaat-Fahne hatten …
Rowohlt, 2024, 416 S., 18 Euro
2. Tana French: Feuerjagd
Goldrausch im wilden Westen! Nein – nicht im historischen Wilden Westen der USA, sondern im ländlichen Westen Irlands der Gegenwart. Tana French führt uns in der Fortsetzung von „Der Sucher“ (Fischer, 2022) zurück in das Dorf Ardnakelty. Zwei Jahre sind vergangen, seit sich der pensionierte Chicagoer Detektiv Cal Hooper hier niedergelassen und eine väterliche Verbundenheit zu der eigensinnigen 15-jährigen Trey aufgebaut hat. Die beiden Außenseiter mussten erfahren, dass Familienfehden hier auch noch über Generationen hinweg gefährlich sind, und sie mussten ihre bisherigen Vorstellungen von Gerechtigkeit revidieren. Wie im klassischen Western üblich, beginnt neuer Ärger, wenn jemand ins Dorf reitet und das fragile Gefüge stört. Hier passiert das im übertragenen Sinne in Gestalt von Treys ungeliebtem Vater Johnny, der in „Feuerjagd“ nach vier Jahren zurückkehrt und gleich wieder auf dicke Hose macht. In einem Irish Pub in London hat er nämlich den feinen Pinkel Cillian Rushborough kennengelernt, der angeblich weiß, wo sich nahe dem Dorf ein Goldschatz verbirgt. Zusammen mit Cillian heizt Johnny die Gier der einheimischen Farmer an, die in dem ungewöhnlich heißen Sommer um ihre Ernte bangen und für einen verwegenen Plan empfänglich sind. Cal wittert eine Gaunerei, muss die aufgebrachte Trey im Zaum halten und einen kühlen Kopf bewahren. Als ein Mord geschieht und dazu noch ein verheerendes Feuer ausbricht, droht die Lage im Dorf, außer Kontrolle zu geraten … Tana French wird immer besser: Mit ihren Ardnakelty-Romanen setzt sie eine moderne Western-Story einfühlsam und dialogstark in Szene, ohne dabei in die Klischeefalle zu geraten. Ihr gelingt eine Reminiszenz an das Genre, welches als Vorläufer des Kriminalromans gilt, und sie erzählt eindrucksvoll von Selbsttäuschung, Loyalität, Rache, Schuld und Strafe. Tana French zeigt die Schwächen und Stärken einer Gesellschaft, die in ihrer Unvollkommenheit liebenswert und kein Märchen aus dem Wilden Westen ist. Unbedingt vor dem nächsten Irland-Urlaub lesen!
S. Fischer, 2024, 528 S., 25 Euro
Aus d. Engl. v. Ulrike Wasel u. Klaus Timmermann
1. Voosen | Danielsson: Tode, die wir sterben
Will sie keinen Käse in den Kaffee? Jon Nordh hänselt seine neue Kollegin Svea Karhuu mit der klischeebehafteten Annahme, dass sie ja bestimmt immer Kahvijuusto nimmt, um ihrem Kaffee die richtige Würze zu geben. Svea aus dem provinzellen Nordschweden trinkt ihren Americano jedoch lieber schwarz – ohne den Ceddar, den ihr Jon als Ersatz für den traditionellen Rentiermilchkäse scherzhaft hinhält – und bittet ihn, sich dies auch zu merken, falls er Wert auf eine gute Zusammenarbeit legt. Nicht nur bei Kaffeefragen muss sich das neue Ermittlerduo also erst noch finden, um in Malmö hellwach auf Verbrecherjagd zu gehen. Und das möglichst schnell: Gerade erst wurde im Problemstadtteil Hermodsdal aus einem Sturmgewehr mit Lasersucher gefeuert. Da steht Polizeipräsidentin Nora Mellander enorm unter Erfolgsdruck. Sie ordnet an, dass Jon und Svea, obwohl sie sich noch gar nicht richtig kennen, ein unabhängiges Zweierteam bilden. Die beiden sollen die Hintergründe des Vorfalls aufklären, bei dem versehentlich ein Teenagerjunge getötet und ein älterer Mann verletzt wurden, als diese ins Schussfeld geraten sind. Anscheinend wurden eigentlich Besucher einer Pizzeria ins Visier genommen, die einer der konkurrierenden Gangstergangs zugeordnet werden. Es riecht nach Bandenkrieg.
Eine ambitionierte Aufgabe für die beiden ungleichen Experten. Jon Nordh ist um die 40, arbeitet seit 15 Jahren bei der Mordkommission und wirkt in seinem Anzug etwas oldschool. Er gilt als erfahren und verlässlich. Die jüngere Svea Karhuu kommt lässig in Sneakern daher und ist durchtrainiert. Ihre fremdländischen Wurzeln und die dunklere Hautfärbung erleichtern es ihr, nicht gleich als Cop zu gelten. Viele Jahre lang hat sie als verdeckte Ermittlerin ein Syndikat infiltriert, das ein Netzwerk für Zwangsprostitution betreibt. Da sie immer wieder rassistischen Beleidigungen und Schikanen ausgesetzt ist, hat sie sich mittlerweile ein dickes Fell zugelegt, reagiert aber zuweilen noch impulsiv und unüberlegt. Weil sie eine Mobbingattacke von Kolleg:innen mit einem Kinnhaken gekontert hat, wird sie von ihrem Chef nach Malmö versetzt, um etwas Abstand zu bekommen und sich dort zu rehabilitieren.
Beide schleppen jedoch auch persönliche Probleme mit sich herum, die nicht gerade helfen, den Kopf für ihren gefährlichen Auftrag freizuhalten. Jon hat vor einigen Monaten seine Linda bei einem tragischen Autounfall verloren. Seitdem ist er komplett neben der Spur, da er den plötzlichen Verlust seiner Frau noch längst nicht verwunden hat und gerade erst lernt, allein mit dem fünfjährigen Tim und der siebenjährigen Lilly klarzukommen. Auch muss er realisieren, dass Linda zusammen mit ihrem Liebhaber gegen den Baum gerast ist. Dieser Carl-Johan war kein Unbekannter, sondern ausgerechnet sein langjähriger Partner und enger Freund. Svea wiederum verheimlicht in Malmö, dass sie bei einem Undercovereinsatz einen Polizisten getötet hat. Nur eine Freundin kann bezeugen, dass sie in Notwehr gehandelt hat. Doch die ist in höchster Gefahr, denn anscheinend gibt es jemanden, der Svea einen Mord anhängen will, um sich selbst zu schützen.
Feinster Thrill mit skurrilen Sidekicks
Das deutsch-schwedische Autorenpaar Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson hat längst eine stabile Fangemeinde, die spannungsgeladenen Nordic-Crime aus dem vermeintlich so beschaulichen Südschweden schätzt. Nach der zehnbändigen Reihe mit den Ermittlerinnen Ingrid Nyström und Stina Forssum weckt die neue Serie die Erwartung, dass nun auch das Schicksal von Svea Karhuu und Jon Nordh über zahlreiche Bände mitverfolgt wird. Die Verbindung von feinstem Thrill mit starken, aber privat angezählten Charakteren beherrschen Voosen/Danielsson auch hier. Dabei sorgen sie immer wieder für amüsante Momente: Die chronisch kichernde Wallgren, der miesepetrige Asthmatiker Stöcker und die IT-Forensikerin mit Cowboyhut bilden für Jon und Svea den näheren Kollegenkreis und sind zugleich skurrile Sidekicks.
So führen Voosen/Danielsson ihre Protagonist:innen zunächst auf falsche Spuren, lassen einen alten Fall in den Fokus rücken, bis ein verschwundener Exilrusse brutal misshandelt in seiner Wohnung gefunden wird und den Ermittlungen eine Wendung gibt. Ausgerechnet Jons Tochter Lilly wird zufällig einen entscheidenen Hinweis geben, der zusammen mit Sveas Wissen über Elstern die Suche nach einem verschwundenen Gegenstand buchstäblich beflügelt. Weitere Morde gilt es zu verhindern und Auftragskiller zu stellen, denn nicht nur Polizeichefin Mellander entscheidet über Jons und Sveas Zukunft. Im Hintergrund ziehen bereits neue Bedrohungen auf, die zum Ende des ersten Bands für reichlich Cliffhangerpotenzial sorgen. Svea erhält immer wieder anonyme Hinweise, dass sie selbst hier weiter unter Beobachtung steht. Und was wird Jon finden, wenn er es endlich schafft, das Handy von Carl-Johan zu entsperren?
Nicht nur das Ermittlerteam, sondern auch die Lesenden brauchen dabei reichlich Nervennahrung. Am besten in Form des obligatorischen Zimtgebäcks, das in keinem Skandi-Thriller fehlen darf. Oder statt Kahvijuusto lieber etwas Häselnös–Sirup in den Kaffee?
Riskieren Sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Krimis im August 2024