Die besten Krimis 2025: Empfehlungen für den Juni

So sonnig die Tage, so düster und bedrohlich die Lesenächte: Die besten Krimis im Juni 2025 mit Susanne Kaiser, Nick Harkaway und Davide Longo.
Mit John Le Carré ist 2020 auch George Smiley verstummt. Jetzt belebt Le Carrés Sohn Nick Harkaway den Agenten des Vaters wieder – und das sollte doch eigentlich die Spitzenposition auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2025 ergeben, oder? Nun, immerhin bekommt er es mit Davide Longo zu tun, der ja mit jedem seiner Kriminalromane bei uns punktet und auch auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2025 hoch hinaus will. In „Ländliches Requiem“ entlarvt er Kunstbetrachtung als einen Fetisch, der tödliche Folgen haben kann. Oder setzt sich Altmeister Frank Göhre mit „Sizilianische Nacht“ auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2025 durch?
Einen furiosen Start ihrer Krimireihe legt Susanne Kaiser hin: Ihre neue Serienermittlerin Obalski ist Forensikerin und zieht aus kleinsten Details frappierende Schlussfolgerungen. Somit könnte es auch „Rot Girls“ auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2025 ganz nach oben schaffen. Andererseits startet die Urlaubssaison: Auch in seinem vierten Bella-Italia-Krimi findet Paolo Riva wieder die richtige Mischung aus Landlust-Kuschelei und Cozy-Crime. Den Toskana-Trip „Stumme Zypressen“ sollte man auf unserer Liste der Besten Krimis im Juni 2025 nicht unterschätzen. Und schließlich ist da noch ein Krimiklassiker: Dana Stabenow steht mit „Weit draußen in Alaska“ auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2025.
Die besten Krimis im Juni 2025
6. Paolo Riva: Stumme Zypressen
Morgens Sesso mit der Dottoressa, dann Caffé aus der Bialetti. Luca liebt es, mit seiner Chiara den Tag so heiß zu starten, wie der später unter der Sonne der Toskana noch werden wird. Der Commissario puschelt dann noch kurz die Esel, winkt dem Fiat-Cabrio mit Chiara hinterher und beginnt gemächlich seinen Dienst. Das verschlafene Montegiardino im Arno-Tal ist ein Traum für Luca, der hier mit seiner Tochter Emma einen neuen Lebensabschnitt begonnen hat. Rom, Venedig und seine dortigen Jobs als Chefermittler haben ihn aufgezehrt. Als Emmas Mutter dann bei einem tragischen Anschlag gestorben ist, war die Rückkehr in die beschauliche Heimat die einzig richtige Entscheidung. Doch auch hier werfen die Zypressen ihre Schatten auf zwielichtige Gestalten, deren kriminelles Potenzial diesmal nicht nur für zwei Dutzend Gänse im Garten von Signora Agnelli gefährlich werden könnte. Ein mysteriöser Fremder wird gesichtet, ein Wanderer angeschossen. Nur zusammen mit der herben Vice-Questora Aurora, Chiara und Emma kommt der Commissario hinter ein Geheimnis, welches die Banca d’Italia interessieren dürfte. Paolo Riva findet auch in seinem vierten Bella-Italia-Krimi wieder die richtige Mischung aus Landlust-Kuschelei und cleveren Cozy-Crime. Da schmilzt wie gelato dahin, wer nach einem Trip in die Toskana schmachtet.
Hoffmann und Campe, 2025, 240 S., 18 Euro
5. Frank Göhre: Sizilianische Nacht
„Überleg dir, was du sagst!“– „Ich sag doch nur …“ – „Nichts, du sagst nichts mehr. Du wirst nichts mehr sagen.“ Auf Sizilien sagt man lieber nichts, was Mitglieder der „Ehrenwerten Gesellschaft“ in Schwierigkeiten bringen könnte. Sonst gerät man vielleicht selbst bald in Schwierigkeiten. Pierre ist Begleiter des französischen Erfinders Jean-Paul Durand, als dieser im Sommer 1933 nach Palermo reist. So wird er zufällig Augenzeuge einer Begegnung, die mit Durands plötzlichen Ableben in einem Grand Hotel in Verbindung stehen könnte. Frank Göhre fiktionalisiert gekonnt einen realen Todesfall, den er atmosphärisch dicht in den historischen Kontext einbettet. Er zeigt, welch kriminelles Potenzial eine Erfindung haben kann. Frank Göhre, geboren 1943, aufgewachsen im Ruhrgebiet, lebt in Hamburg. Gleich sein erster Krimi, „Der Schrei des Schmetterlings“ (1986) – Auftakt der inzwischen legendären „Kiez Trilogie“ -, wurde mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet, ebenso wie sein Roman „Der Auserwählte“ von 2010 und „Verdammte Liebe Amsterdam“ aus dem Jahr 2020, für den er auch den Stuttgarter Krimipreis erhielt.
CulturBooks, 2025, 168 S., 17 Euro
4. Dana Stabenow: Weit draußen in Alaska
Die Nachbarin erwacht gerade aus dem Winterschlaf, und die dickfellige Mitbewohnerin ist läufig. Kate Shugak teilt ihre selbstgewählte Einsamkeit in einer Blockhütte mitten in Alaskas Wildnis nur mit der verpennten Grizzlybärin von nebenan und ihrer treuen Husky-Hündin Mutt, die gerade einen Wolfsrüden als hartnäckigen Verehrer hat. Hier im weitläufigen Nationalpark ist ihre Heimat. Als Angehörige des indigenen Volkes der Aleuten vertraut sie ihren Instinkten und erdet sich nach der aufreibenden Zeit als erfolgreiche Ermittlerin in Anchorage. Jetzt ist sie mit dem Schneemobil zur Stelle, wenn eine kundige Detektivin gebraucht wird. So wie an diesem ersten Frühlingstag, der unerwartet blutig wird. Ein Amokläufer feuert im Örtchen Niniltna wahllos auf die Einheimischen. Unter den neun Opfern ist auch Lisa Getty, doch stellt sich heraus, dass sie als Einzige nicht von dem gestellten Täter erschossen worden ist. Da wird Chefermittler Jack aus Anchorage eingeflogen, um seine ehemalige Partnerin zu unterstützen. Doch sind es Kate und Mutt, die sich auf gefährliche Höhen wagen werden. Schließlich ahnen sie von Anfang an, wer den Mord an Lisa begangen hat. Die derzeit 23 Bände umfassende Kate-Shugak-Reihe erzählt viel über das einsiedlerische Dasein und die Schönheit der Natur. In diesem zweiten Band aus dem Jahr 1993 entfacht sich die ganze Kraft der einfühlsam wie humorvoll erzählten Serie durch die an Kontur gewinnenden Charaktere. Ganz nebenbei bekommt man Tipps für das (Über-)Leben in der Wildnis und darüber, wie man im Wald am besten ein Gewehr versteckt. Wichtig ist eine verlässliche Freundin, denn Männer und Rüden machen nur Probleme. Oder wie Mutt beipflichten würde: „Wow!“.
TOP 3
3. Susanne Kaiser: Riot Girl
Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass in jedem München-Krimi eine Leiche aus der Isar geborgen werden muss. Daran hält sich auch Susanne Kaiser, obwohl sie mit ihrem starken Debüt sonst keineswegs im Klischee-Sumpf fischt. Ihre neue Serienermittlerin Obalski ist Forensikerin und zieht aus kleinsten Details und Verhaltensweisen frappierende Schlussfolgerungen. Mit einer Schnellschulung wird sie zur Kripobeamtin, um undercover im Jugendamt an die Aktivist:innen-Gruppe „Influenzas“ heranzukommen. Über Insta und Tiktok verabreden sich diese Teenagerinnen deutschlandweit zu Challenges, die zunehmend radikaler werden. Da bringen nicht nur 80 000 Swifties bei einem Konzert die Olympiahalle zum Beben, sondern manche drohen auch mit beängstigenden Suizid-Aktionen. Zusammen mit ihrem Kontaktmann Karajan muss Obalski investigativ „Fortnite“ zocken, um Jugendslang-Codes zu checken, sie muss schneller als der Countdown sein und einen internen Maulwurf enttarnen. Spätestens die Wasserleiche lässt eine neue Eskalationsstufe ahnen: Anscheinend ist ein Hurtcore-Herrenclub mit hochrangingen Mitgliedern das Ziel der jungen Frauen. Susanne Kaiser startet ihre Krimi-Reihe souverän: Obalski gibt dem deutschen Krimi wieder Aura.
Wunderlich, 2025, 416 S., 24 Euro
2. Davide Long0: Ländliches Requiem
Was gibt es Schöneres, als sich in malerischer Landschaft den Freuden des Lebens hinzugeben? Im Piemont frönt ein elitärer Männerzirkel der klassischen Musik und hochgeistiger Literatur bei Abenden mit kaltem Buffet. Dabei ergötzt man sich an künstlerischen Darstellungen von körperlicher Ästhetik. Oder was man dafür hält. Kommissar Corso Bramard wird übel, als er von dieser Runde mit sehr speziellen Vorlieben erfährt, der auch Eric Delarue angehört. Der Geschäftsführer eines Stahlwerks ist durch einen Kopfschuss schwer verletzt worden und liegt seitdem im Koma. Bramard und sein jüngerer Kollege Inspektor Arcadipane suchen das Motiv für den Mordversuch. Delarue scheint sehr beliebt zu sein und wird von Mitarbeitern wie Freunden geschätzt. Gibt es etwa einen politischen Grund für den Anschlag? Verschlungen und steinig wie die Wege im Piemont ist auch der Weg der Ermittlungen, bei denen Bramard mit unorthodoxen Alleingängen seine Suspendierung riskiert, um den Fall aufzuklären. Ausgerechnet seine Erfahrung bei der Jagd auf Küchenschaben hilft Bramard entscheidend.
Davide Longo lässt den fünften Band seiner Serie im Jahr 1987 spielen. So liest sich dieser wie ein Prequel zu den bisherigen Fällen des verschrobenen Ermittlerduos und gibt Longo die Möglichkeit, die Entwicklung seiner Charaktere von einem früheren Ausgangspunkt nachzuvollziehen und sie noch mehr zu rauchen zu lassen. Feiner Humor, Tempo und Tiefgang kennzeichnen den Plot, der erneut inhaltlich wie erzählerisch überzeugt. Gerade Bramard darf dabei entschlossen zupacken, um seinen Willen auch gegen die Vorschriften durchzusetzen. Selbst als er aufgefordert wird, sich von seinen Schuhen zu trennen, kann ihn das nicht erschüttern. Unter den im Roman verhandelten Begierden ist das noch ein eher harmloser Fetisch …
1. Nick Harkaway: Smiley
Vier Fünftel einer erfolgreichen Infiltration sind Recherche und Planung, doch das letzte Fünftel besteht aus schierem Willen und Dreistigkeit. Diese Spionage-Weisheit trifft auch auf Autoren zu, die sie sich fremder Erzählsettings und Figuren bemächtigen. Nick Harkaway setzt sich mit einem neuen Smiley-Roman den übergroßen Schlapphut seines Vaters John Le Carré auf. Und Hut ab: Wie mit einem gut gefälschten Pass schleicht er sich literarisch in die Welt des legendären MI6-Circus. Harkaway verortet seinen Roman zeitlich kurz nach „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (1963) und vor „Dame, König, As, Spion“ (1974). Er zieht also auf dem alten Plot-Schachbrett seines Vaters.
Harkaway bringt auch neue Figuren ins Spiel: Im Jahr 1963 wird der sowjetische Profikiller Miki Bartnik nach London geschickt, denn Moskau möchte bald den Namen des ungarischen Verlegers László Bánáti auf einem Grabstein stehen sehen. Doch Bánáti ist verschwunden, seine junge Assistentin Susanna – ebenfalls eine ungarische Emigrantin – schleust Bartnik zum MI6, denn dieser will im Westen bleiben. Bei Control, dem Chef des Circus, gehen die Warnlämpchen an: Für diese Sache braucht er Smiley – egal, dass der gerade erst seinen Ruhestand angetreten hat. Smiley kehrt zurück in die trostlosen Büros und konspirativen Wohnungen. Die Paranoia vor mutmaßlichen Verfolgern und dubiosen Schatten an den Wänden ist wieder da. Bánáti ist nämlich Ferens Róka, der als russischer Agent jetzt wohl auf die Abschussliste geraten ist. Was will Karla, der sowjetische Chefspion, damit verhindern?
Harkaway erweitert die legendäre „Karla-Trilogie“ („Dame, König, As, Spion“, 1974 | „Eine Art Held“, 1977 |„Agent in eigener Sache“, 1979) einfach mal kühn um einen weiteren Band. Wie die Legende, so sein Sohn: die verwirrende Anzahl von Klarnamen und Decknamen, die berufsbedingt verklausulierten Dialoge, die internen Intrigen. Alles stimmig, aber für Hardcore-Fans nur ein Aufguss der bekannten Spielchen. Wer bei Agententhrillern ohnehin schon nach wenigen Seiten wie in einen englischen Nebel blickt und im Verwicklungssumpf die Orientierung verliert, kann sich immerhin wohlig in der archaisch anmutenden Sixties-Welt des Kalten Kriegs suhlen. Doch wie ein guter Spion hat man ständig den Verdacht, dass etwas nicht stimmt.
Die Story ist eindeutig auf die heutige Leserschaft hingeschrieben, hat mehr Drive und ist deutlich zugänglicher als bei John Le Carré. Zwinkert uns der alte Muffelkopp Smiley etwa schelmisch zu, wenn er und seinesgleichen wie Hasardeure die stacheligen Grenzen zwischen Ost und West hin und her queren? Und weil im alten Nachkriegseuropa die östlichen Zäune mittlerweile immer höher werden, ist bei Nick Harkaway auch einiges von Top-Spionen zu lernen. Da kann die heutige Politik durchaus nachlesen, wie der Russe so tickt.
Smiley versucht, sich mit Karla auf einen Kaffee im neutralen Lissabon zu treffen. Vielleicht kommt es in der vertrackten Situation ja zu einem Deal. Nach Smileys Vorstellung können Konflikte zwischen zwei vollkommen gegensätzlichen Positionen nur innerhalb gewisser Grenzen ausgefochten werden. Ohne diese Grenzen muss das Resultat letztlich die Zerstörung sein. Innerhalb davon gibt es vielleicht so etwas wie Frieden. So wartet Smiley in Lissabon auf Karlas Antwort. Der antwortet ohne Worte: Karla führt den Dialog lieber auf die russische Art …
Ullstein, 2025, 368 S., 24,99 Euro
Aus d. Engl. v. Peter Torberg
Riskieren Sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Krimis im Mai 2025!