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Die Kraft der Kunst: OMD im Interview zu „Bauhaus Staircase“

OMD_23_6_credit Ed Miles
(Foto: Ed Miles)

Die beiden Liverpooler Schulfreunde Andy McCluskey und Paul Humphreys alias OMD mögen Mitte 60 sein. Doch das Alter hält die beiden von nichts ab.

Paul, du bist vor zwei Jahren Vater geworden. Glückwunsch.

Paul Humphreys: Herzlichen Dank. Ja, ich habe eine wunderbare Frau aus Litauen geheiratet, und zu unserer eigenen Überraschung ist sie schwanger geworden. Jetzt habe ich eine zweijährige und eine 31-jährige Tochter. Manchmal könnte ich fast glauben, ich wäre wieder jung.

Auf eurem neuen Album „Bauhaus Staircase“ klingt ihr zumindest kein bisschen älter als vor 40 Jahren.

Andy McCluskey: Als wir jung waren, haben wir geglaubt, dass Musik ein Spiel für junge Leute sei. Alles ist entweder alt oder neu gewesen. Jetzt gibt es diese Unterscheidung nicht mehr, wir leben in einem postmodernen Zeitalter, in dem die Popkultur ihre eigene Geschichte auffrisst, sich auf diese Weise verjüngt und nichts mehr neu ist, aber auch nichts mehr aus der Mode kommt. Heute gilt: Wenn du gut bist in deinem Metier, dann kannst du das ein Leben lang machen.

Auch die Bauhaus-Schule hat Zeitloses hervorgebracht. Andy, du singst im Titelstück, wie gern du jemanden in einem Bauhaus-Treppenhaus küssen würdest. Kommst du voran mit dem Projekt?

McCluskey: Aktuell nur sehr mäßig. Ich bin momentan wieder Single, doch der Wunsch, in Dessau oder einer anderen Bauhaus-Stadt in einem solch wunderbaren Gebäude der Frau, die ich liebe, einen innigen Kuss zu geben, der ist sehr stark.

Hat euch die Bauhaus-Bewegung als kunstliebende Kids in Liverpool schon früh fasziniert?

McCluskey: Ich liebe an Bauhaus, dass es sich um richtig praktische, handfeste Kunst handelt. Der Bauhaus-Stil ist bis heute extrem alltagstauglich, er hat nichts Esoterisches oder Abgehobenes. Es ist ein Akt der Schande, dass die Nazis Bauhaus im Jahr 1933 verboten haben. Aber es ist symptomatisch: Totalitäre Regime haben Angst vor Kunst. Kunst ist eine Kraft, die niemand kontrollieren kann, und auf unserem Album ist Bauhaus eine Metapher für diese Kraft. Kunst füttert deinen Kopf, dein Herz und deine Seele.

„Kleptocracy“ ist das wütendste Stück auf eurem Album. Es ist ein Angriff auf die politische Klasse. Was erzürnt euch so?

McCluskey: Früher hat die Korruption unterm Tisch stattgefunden. Heute ist für alle ersichtlich, wie käuflich und verkommen unsere Politik geworden ist. Ein Journalist geht in die saudi-arabische Botschaft, kurze Zeit später wird er dort in Scheiben zerschnitten. Wir regen uns kurz auf und fragen dann: Wie viele Flugzeuge möchtet ihr denn gerne von uns kaufen?

„Popmusik kann ruhig auch mal etwas herausfordernd sein.“

Es ist eure Spezialität, knallharte Botschaften in mitsingtaugliche Melodien zu kleiden, oder?

Humphreys: Wir können die schrägsten und angriffslustigen Lieder schreiben – nur kippen wir dann einen ganz dicken Zuckerguss darüber. Bis dieses Prinzip alle verstanden hatten, sind eine Menge Jahre ins Land gezogen. Als Teenager haben wir Standardsongtexte verachtet, die völlig leer und bedeutungslos gewesen sind. Das war alles Müll.

Also habt ihr lieber ein Antikriegslied wie „Enola Gay“ an die Spitze der Charts gebracht. Und jetzt liefert ihr in „Anthropocene“ einen Abriss der Menschheitsgeschichte in knapp sechs Minuten.

McCluskey: Sicher, das Thema ist anspruchsvoll, aber Popmusik kann ruhig auch mal etwas herausfordernd sein.

Du sagst am Ende, dass in einer Million Jahren die menschliche Population auf der Erde null betragen wird.

McCluskey: Ich weiß, ich bin ein Optimist. (lacht) Im Moment sieht es ja eher so aus, als könnte es deutlich früher mit uns vorbei sein.

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