Digitalisierung in der Kultur: Chancen und Herausforderungen

Die Digitalisierung hat die Welt derzeit fest im Griff. Eine Entwicklung, die selbstverständlich auch an der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht spurlos vorbeigeht. Die Frage lautet daher: Wie sehen die Auswirkungen mit all ihren Chancen und Herausforderungen aus?
Schon seit mehreren Jahren stellt sich der Deutsche Kulturrat diese Frage immer wieder. Eine einheitliche Antwort gibt es bislang nicht – und wird es vermutlich auch in Zukunft nicht geben. Denn die Digitalisierung ist kein statischer Trend, sondern ein Strukturwandel, der selbst gewissen Veränderungen und Modeströmungen unterliegt. Innovative Technologien bringen oftmals neue Möglichkeiten mit sich, die einen Richtungswechsel bedeuten können. Oder gesellschaftliche Probleme machen neue Konzepte erforderlich, sodass die Digitalisierung unerwartete Wege beschreitet, wie jüngst die Verlagerung des Festivals „Tomorrowland“ ins Internet. Dennoch ist es interessant, einen genaueren Blick darauf zu werfen, wie die Digitalisierung die Kultur beeinflusst hat und mit großer Wahrscheinlichkeit noch beeinflussen wird.
Der Kulturwandel findet in der Gesellschaft statt
Lange Zeit war die Kultur- und Kreativbranche sozusagen immun gegen die digitalen Entwicklungen. Es waren somit eher andere Bereiche wie das Entertainment oder die Mobilität, die von diesen verändert und geprägt wurden. Doch mittlerweile ist die Digitalisierung zu einer ganzheitlichen Entwicklung herangewachsen, die alle Lebensbereiche betrifft. Das liegt darin begründet, dass sie einen Kulturwandel in der Gesellschaft hervorgerufen hat, sprich veränderte Gewohnheiten und Erwartungen. Dadurch hat sich die Digitalisierung langsam ihren Weg in sämtliche Branchen gebahnt und ist auch im Kunst- und Kulturbereich angekommen. Kultur ist in diesem Fall also ein weit gefasster Begriff.
Der Kulturbegriff per (neuer) Definition
Um ein grundlegendes Verständnis für die Thematik zu entwickeln, ist es daher sinnvoll, zurück zum Anfang zu gehen und damit zur Definition, was Kultur eigentlich ist: „Kulturen entstehen durch Kommunikation und durch Handlungen, weshalb sie auch ständig im Wandel sind“, lautet eine dieser Definitionen. Kunst oder andere Gegenstände per se sind daher eigentlich keine Kultur, sondern nur ihr Produkt. Die Kultur selbst beschreibt hingegen eher die Art und Weise, wie Menschen ihre Beziehungen pflegen – zu sich selbst, zu anderen Personen und zu ihrer Umgebung. Auf gut Deutsch, ist Kultur also die Gesamtheit der Gewohnheiten, welche die meisten Menschen in einem Kulturkreis verfolgen. Und genau diese verändern sich durch die Digitalisierung derzeit sehr stark.
Die „digitale“ Kultur in Deutschland
Im alltäglichen Leben ist die Digitalisierung gerade also omnipräsent und damit auch in unserem Kulturkreis. Das bedeutet, dass viele Lebensbereiche zunehmend von digitalen Medien geprägt werden. Das gilt zum Beispiel für den Arbeitsplatz und die bereits erwähnte Mobilität, aber auch für die Freizeitbeschäftigungen der Menschen. In immer größerem Ausmaß finden nämlich auch diese digital statt. Dazu zählt die vor dem Smartphone verbrachte Zeit ebenso wie jene vor der Spielekonsole oder dem Fernseher. Das klassische Fernsehprogramm wird in letzterem Fall zunehmend durch digitale Angebote wie das Streaming ersetzt. Selbst Sportveranstaltungen werden immer öfters auch oder ausschließlich über das Internet übertragen, wie der Kampf um die Senderechte in der Champions League deutlich macht. Somit beschreitet der traditionelle Wettbewerb einen neuen Meilenstein in seiner Geschichte – und ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Sei es also die Champions League oder das Festival „Tomorrowland“; die Abwanderung solcher Kulturangebote auf digitale Kanäle lässt sich nicht länger verhindern.
Auch klassische Kulturbereiche werden digitalisiert
Ob Sportveranstaltungen oder Musikfestivals zur Kultur im klassischen Sinne gehören, darüber lässt sich streiten. Nicht aber darüber, dass die Digitalisierung die Kultur in Deutschland sowie in vielen weiteren Ländern der Welt grundlegend verändert. Was als bedeutet das für klassische Kulturgüter wie die Literatur, die Kunst, die Musik oder das Theater? Hier ist zumindest vorerst nicht zu erwarten, dass analoge Kanäle vollständig durch ihr digitales Pendant ersetzt werden. Durchaus wird es aber eine Ergänzung geben. Das bedeutet, dass künstlerische Produktionen zukünftig auch digital stattfinden, ebenso wie kulturelle Veranstaltungen. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um digitales Kuratieren, Veröffentlichen oder Kommunizieren im künstlerischen Bereich. Anschauliche Beispiele sind die digitale Produktion und Veröffentlichung von Musik sowie Literatur. Plötzlich ist es jedem Menschen möglich, entsprechende Werke zu kreieren und der breiten Masse zugänglich zu machen. Lange Zeit war dies ein Privileg, das namhaften Künstlern vorbehalten war, oder jenen Nachwuchstalenten, die von entsprechenden Institutionen gefördert wurden. Auch die klassischen Kulturbereiche werden somit langsam aber sicher digitalisiert – und dadurch werden Kulturgüter plötzlich für jedermann zugänglich.
Kultur ist für alle da – endlich!
Die Digitalisierung bietet für die Kultur- und Kreativbranche somit eine wichtige Chance: Die Möglichkeit, dass entsprechende Erzeugnisse wie Musik, Literatur oder Kunst für jedermann zugänglich sind und auch durch jedermann produziert werden können. Dadurch wird die Kultur bunter und vielfältiger. Auch Nischen werden in steigendem Ausmaß vertreten, denn im Internet ist für alle Platz und so findet jeder genau das, wonach er sucht. Zudem gibt es keine zeitlichen, örtlichen oder finanziellen Einschränkungen mehr, wenn es zum Beispiel um den Besuch einer Kunstausstellung oder einer Veranstaltung geht, um wieder auf das „Tomorrowland“-Festival zurückzukommen. Stattdessen kann jeder selbst entscheiden, welche Kulturgüter er konsumieren möchte, wann und über welchen Kanal. Somit kann die Kultur endlich einem ihrer eigentlichen Zwecke gerecht werden, nämlich Menschen zu verbinden und die Gesamtheit einer Gesellschaft abzubilden, anstatt nur einen privilegierten Ausschnitt. Die Digitalisierung in der Kultur wird daher durch Bund und Länder aktiv gefördert. Denn sie sind sich einig: Nur so können kulturelle Angebote jetzt und in Zukunft ihren Beitrag für den Zusammenhalt in der Gesellschaft leisten, ebenso wie für eine Vernetzung zwischen Bildung, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.
Chancen und Ziele der Digitalisierung im Kultursektor
Die Zielsetzung scheint also klar: Die Kulturgüter müssen zwar in ihrer ursprünglichen Form erhalten bleiben, aber um digitale Angebot ergänzt werden. Dadurch soll jeder Zugang zum kulturellen Erbe erhalten und innovative künstlerische Formate können entwickelt werden. Im Fokus steht dabei die Partizipation, sprich in der „Kultur 2.0“, wie die digitale Ära in der Kultur- und Kreativwirtschaft genannt wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Konsum und Produktion kultureller Güter. Dadurch kann die kulturelle Teilhabe der Bevölkerung flächendeckend sowie dauerhaft gesteigert werden, so jedenfalls die Hoffnung. Doch es warten auch Hürden auf diesem Weg.
Herausforderungen zwischen analoger und digitaler Kultur
Die Herausforderungen im Rahmen der Digitalisierung liegen in der Kreativ- und Kulturwirtschaft vor allem auf einer ökonomischen Ebene. Bislang war es für die Branche möglich, mit anderen Wirtschaftszweigen mitzuhalten. Doch wenn Kultur zunehmend auf die digitalen Kanäle abwandert, bedeutet das auch eine wegfallende Wertschöpfung; beziehungsweise es werden neue Strategien zur Wertschöpfung notwendig. Es gilt, ein grundlegend neues Konzept zu entwickeln und in der digitalen Welt eine individuelle Identität zu finden. Allerdings fehlt es natürlich noch an Erfahrungswerten, wenn es um die Möglichkeiten geht, Kultur in der digitalen Welt zu platzieren und zu monetarisieren. Denn der größere Nutzerkreis bedeutet in diesem Fall nicht automatisch mehr Einnahmen – ganz im Gegenteil. Somit könnte es für Kulturschaffende, Kreative & Co in Zukunft schwierig werden, im Wettbewerb gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen zu bestehen. Befürchtet wird zum Beispiel ein Verlust an Umsatzanteilen für Urheber oder weniger Umsätze bei klassischen Angeboten wie Theateraufführungen, Ausstellungen und vielem mehr.
Fazit
Tatsächlich dürfte der Sprung in die digitale Ära für die Kultur- und Kreativwirtschaft also schwieriger werden als für viele andere Wirtschaftszweige. Das ist aber kein Grund, sich von diesem Vorhaben abbringen zu lassen, zumal dies aufgrund der kulturellen Veränderungen in der Gesellschaft ohnehin nicht möglich ist. Es ist daher notwendig, die Kulturbranche bezüglich ihrer Wertschöpfung neu zu denken und innovative Konzepte zu entwickeln, durch welche sie die Chancen der Digitalisierung bestmöglich für sich nutzen kann. Was dann am Ende entstehen kann, ist nämlich eine Win-Win-Situation für die Anbieter und Konsumenten kultureller Angebote. Es bleibt somit spannend, wie dieses Ziel schlussendlich umgesetzt wird. Sicher scheint aber, dass das passieren wird, und zwar eher früher als später.