Klassenkampf im Songformat
Dass Disarstar mit seiner Musik auch umstürzlerische Gedanken verfolgt, ist bekannt. Doch dafür greift der Hamburger Rapper auch auf Mittel des Pop zurück.
Disarstar, dein letztes Album „Bohemien“ ist im Februar letztes Jahr erschienen. Wie kommt es dazu, dass jetzt schon das nächste Disarstar-Album ansteht?
Disarstar: Es geht beim Mucke machen ja darum, eine Idee zu entwickeln, wie man sich anhören will. Und ich hatte nicht das Gefühl, dass diese Idee mit „Bohemien“ schon ausgeschöpft war. Das Album kam im Februar, dann war ich auf Tour, und direkt zwei Tage nach dem Ende der Tour war ich schon wieder im Studio in Berlin und habe einfach da weitergemacht, wo ich vorher aufgehört hatte. Da war ich auch genau in meiner Comfort-Zone, weil ich mich bei beiden Alben frei gefühlt habe, einfach zu machen.
Wodurch entsteht diese Freiheit?
Disarstar: Es hat viel mit dem Team zu tun, mit dem ich gerade zusammenarbeite. Das sind zum einen Dasmo & Mania, die haben „Bohemien“ bis auf zwei Nummern produziert und das neue Album komplett. Zum anderen ist Philipp Dittberner oft dabei, der einer meiner besten Freunde geworden ist. Wir bilden im Wesentlichen das Team. Und auch wenn 90 Prozent der Texte auf dem neuen Album von mir sind, entlastet es mich, wenn Philipp als Schreiber und Sparingpartner im Studio sitzt, weil ich weiß, dass wir etwas schaffen, selbst wenn mir mal nichts einfällt. Das von vornherein zu wissen und damit in den Prozess zu gehen macht es mir extrem leicht, weil Situationen, in denen mir nichts einfällt, gar nicht erst entstehen. Darüber hinaus habe ich mich aber auch als Typ krass verändert.
Kannst du da noch näher drauf eingehen?
Disarstar: Meine Kunst hat einen Selbstzweck. Daneben geht es natürlich auch um Geld, aber ich weigere mich dagegen, das zum Hauptaspekt zu machen. Es entlastet mich einfach, mir andere Perspektiven zu erarbeiten. Ich glaube zwar auch, dass ich mir jetzt nach fünf Jahren in der Musikindustrie eine Perspektive erarbeitet habe, um mittel- oder langfristig darin zu arbeiten, nur tut es mir auch gut, auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen. Ich habe jetzt mein Abitur nachgeholt und wenn ich die Zeit hätte, würde ich auch noch nebenbei arbeiten. Gar nicht aus monetären Gründen, sondern einfach, weil ich gerne viel zu tun habe.
Dein Album heißt „Klassenkampf & Kitsch“. Kannst du sagen, was sich für dich hinter diesen Begriffen verbirgt?
Disarstar: Wir leben in turbulenten Zeiten, die Menschen versuchen, Antworten darauf zu finden und reagieren zum Beispiel mit Rassismus. Aber ich glaube nicht, dass das Problem Migration ist, ich glaube nicht, dass kulturelle Unterschiede das Problem sind. Ich glaube, ein LKW-Fahrer aus Magdeburg hat in seiner Stellung in der Welt viel mehr mit einem Arbeiter aus Syrien gemeinsam als mit seinem Chef. Deswegen bin ich der Meinung, dass das bestimmende Problem dieser Welt eine Verteilungsungerechtigkeit ist. Es gibt Menschen, die bewässern Golfplätze in Andalusien, und 1000 Kilometer weiter verdursten Menschen während wir kilometerlange Ölpipelines bauen. Ich glaube, dass wir in dieser Zeit Antworten und Lösungsansätze für diese großen Probleme brauchen, und Klassenkampf ist da mein Entwurf, mit dem ich auch versuche, gegen all das zu halten, was gerade passiert.
Und wie ist es mit deinem Verhältnis zum Kitsch?
Disarstar: Kitsch ist so ein bisschen Selbstironie. In irgendwelchen Reviews und Kritiken fielen immer wieder Begriffe wie Pathos und Kitsch. Und da ich nicht gewillt bin, mich irgendwie dahingehend zu verändern, dachte ich, ich münze das im Titel mal in Selbstironie um.
In der Vergangenheit wurde dir öfter vorgeworfen, zu poporientiert geworden zu sein, vor allem nach deinem Wechsel zum Major. Stört dich diese Kritik überhaupt noch?
Disarstar: Das geht mittlerweile ehrlich gesagt an mir vorbei. Was die Leute, die im Internet diese Kritik üben, aber nicht verstehen, ist, dass ich hier bei Warner nicht in schwarzen Roben bei der Schlachtung eines Lamms in den Kreis der Illuminaten aufgenommen wurde und meine Seele an den Teufel verkauft habe. Bei Warner hat mir noch nie jemand gesagt, wie ich irgendwas machen soll. Und bei dieser Kritik ziehen die Leute gar nicht in Betracht, dass ich es einfach mache, weil ich Bock darauf habe. Ich will mich in meiner Musik weiterentwickeln. Mir ist es wichtig, mich zu verändern und nicht immer wieder das Gleiche zu machen. Doch für mich kam Autotune halt nicht in Frage, aber weiter Boom-Bap-Rap zu machen auch nicht. Dadurch klingt die Mucke jetzt halt so, wie sie klingt.
Gleich zu Anfang deines Albums steigst du mit ein paar sehr selbstbewussten und starken Statements ein. Aus meiner Perspektive wird du vor allem als sehr politischer Rapper wahrgenommen, aber inwiefern geht es für dich im Rap auch um diesen kompetitiven Charakter?
Disarstar: Viele dieser Paradigmen, die für mich wichtig waren, als ich angefangen habe, Rap zu machen zählen nicht mehr. Ich habe noch nie eine Kritik gelesen, wo irgendjemand meine Reimtechnik lobt. Das interessiert niemanden, aber für mich ist es schon kompetitiv und es ist mir auch wichtig, den Anspruch zu haben, Rap rein handwerklich besser zu machen als die anderen. Aber ich rede da gar nicht von einer monetären, marktwirtschaftlichen Competition, sondern von einer rein sportlichen.
Interview: Stefan Grüll
Klassenkampf & Kitsch erscheint am 6. 3.
Disarstar Live
13. 3. Stuttgart
14. 3. München
15. 3. Wien
18. 3. Leipzig
19. 3 Berlin
20. 3. Jena
21. 3. Nürnberg
25. 3. Dortmund
26. 3. Köln
27. 3. Düsseldorf
28. 3. Heidelberg
1. 4. Osnabrück
2. 4. Hannover
3. 4. Kiel
9. 4. Göttingen
10. 4. Frankfurt am Main
11. 4. Magdeburg
28. 5. Bremen
29. 5. Husum
30. 5. Hamburg
Tickets gibt es bei Eventim.