Zum Inhalt springen

Doechii auf dem splash!-Festival 2025: Eine Diskrepanz tut sich auf

Doechii c John Jay
(Foto: John Jay)

Die frischgebackene Grammy-Gewinnerin Doechii ist derzeit auf großer Europa-Reise und spielt die größten Festivals des Kontinents: Glastonbury, Roskilde und schließlich auch das splash!. Klare Sache, wo die Rapperin wohl den meisten Zuspruch bekommen sollte, oder?

Mit Freuden habe ich den Doechii-Artikel von Kollege Matthias Jordan gelesen, der von der Performance der US-Rapperin vergangenen Freitag im dänischen Roskilde berichtet hat. Von einem School of HipHop-Bühnenbild war da die Rede, von Verneigungen vor den Weg ebnenden Raplegenden und von einer dem Regen trotzenden begeisterten Crowd, die auch ohne exklusiven HipHop-Bezug genau verstanden hat, dass hier gerade der neueste HipHop-Superstar vor ihnen steht.

Roskilde ≠ splash!

Doch irgendwie konnte ich bei aller Freude über das dort Geschilderte nicht den Vergleich zu ihrem splash!-Auftritt einen Tag zuvor ausblenden. Bei Deutschlands größtem HipHop-Festival im sachsen-anhaltschen Gräfenhainichen war die 26-Jährige als eine der Headliner:innen gebucht worden, um den ersten Festivaltag gebührend auf der Main Stage abzuschließen. Ein Traumbooking, sollte man meinen, immerhin spielt Doechii in diesem Jahr kein anderes deutsches Festival oder Konzert und kann sich ob ihrer riesigen Popularität derzeit weltweit quasi aussuchen, wo sie spielt.

Doch wo Matthias Jordan berichtet, dass das dänische Publikum gebannt an ihren Lippen hing und ihren trotz großem Pop-Appeal erstaunlich kompromisslosem Boom Bap von Sekunde 1 an gefeiert hat, habe ich auf dem splash! einen anderen Eindruck bekommen. Statt Lautstärke im Publikum, Körpern in Dauerbewegung und einer restlos gefüllten Main Stage war da eine recht leblose Crowd, die erstaunlich wenig mit sich anfangen zu wusste.

Und da kommen wir auch schon zum Problem, die das deutsche HipHop-Publikum offenkundig mit manchen Rap-Acts hat: je weniger Rage-Elemente, desto weniger gezeigte Energie. Beim Blick auf die anderen Main Acts des diesjährigen Line Ups zeigt sich auch, dass auch dem splash! dieser Umstand nicht entgangen ist: Ken Carson und Yeat sind zwei der gefragtesten Rage-Rapper dieser Zeit, Ufo361 & Young Thug sorgen seit einem Jahrzehnt verlässlich für Moshpits, und auch die deutschen New Wave-Headliner makko, Ski Aggu oder $oho Bani lassen Kreis um Kreis entstehen.

Der Funke will nicht überspringen

Doch muss es immer Turn Up sein, der für eine mitreißende Show sorgt? Denn an Doechiis Versuch, für eine gute Show zu sorgen, lag es keinesfalls. Die Florida-Rapperin hat eine visuell herausragende Bühneninstallation erdacht, die die krokodilgrünen Visuals ihres grammygewinnenden Mixtape „Alligator Bites never heal“ widerspiegelt und die größte Bühne des splash! für eine Stunde in eine moosbedeckte Sumpflandschaft verwandelt. Auch an Bässen mangelt es nicht, genauso wenig wie an Feuerwerk oder einer DJ, die die Crowd zwischendrin anheizt. Selbst Doechii versucht sich irgendwann an einem Mitreißen der Menschen, legt sich einige Brocken von eingeübtem Deutsch zurecht und fordert die Menge auf: „macht Lärm!“ – recht erfolglos.

Es liegt ein komisches Gefühl über allem, wenn da einerseits eine der derzeit größten HipHop-Künstlerinnen dieses Planeten auf der Bühne steht und Energie ohne Ende versprüht, aber das HipHop-Publikum auf der anderen Seite nicht viel von dieser Energie weiterverwendet. Ist es das Ausbleiben von Playback-Vocalspuren, über die ihre Stars normalerweise drüber schreien und ihre Zuschauer:innen zum Ausrasten animieren? Ist es der Inhalt ihrer Lyrics, die sich mit Identität, Ängsten und Selbstfindung auseinandersetzen und kaum Platz für Repetitivität lassen?

HipHop in 2025

Versteht nicht mich falsch, ich bin selber großer Fan von den Sounds, die Künstler:innen wie Ufo36, Young Thug oder auch Ken Carson seit Jahren fahren und konsequent weiterentwickeln. Doch heißt das dann, dass man mit Rap, der sich mehr an den ursprünglichen HipHop-Sound hält, gar nichts mehr anfangen kann? In meiner Vorstellung geht beides, doch diese (ausbleibende) Reaktion darauf lassen mich genauso ratlos zurück wie dieser Auftritt anscheinend viele splash!-Gänger:innen. Ich glaube nicht einmal, dass eine großartige Verweigerung vorliegt – viel mehr haben sich die zentralen Motive von gefeiertem HipHop in Deutschland und damit auch seinem größten Festival nachhaltig verändert. Das splash! steht seit Gründung 1998 für zeitgenössischen HipHop, hatte zumeist die Künstler:innen im Line-up, die gerade entweder das Geschehen beherrschten oder es ein, zwei Jahre später tun sollten.

Doch Doechii, die gerade auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere steht, scheint trotz riesigem internationalen Erfolg nicht das zu treffen, wofür sich das splash!-Publikum auf den Weg nach Ferropolis gemacht hat. Es ist ein Learning, das den Status Quo der deuschen HipHop-Landschaft ganz gut einfängt und die Verschiebung der Vorstellungen einer Rapcrowd sichtbar macht.

Beitrag teilen:
kulturnews.de
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.