Drangsal: Das Buch mit sieben Siegeln
Drangsal hat für „Exit Strategy“ die Pole zwischen stumpf und vage voll ausgereizt. Aber braucht es wirklich nicht mehr für so ein Meisterwerk der Popmusik?
Max, auf dem neuen Drangsal-Album „Exit Strategy“ geht es erstaunlich viel ums Fliehen, und dabei verschränkst du das Politische und das Private. Wie gehört das für dich zusammen?
Max Gruber: Du kannst es mir glauben – oder auch nicht – aber ich habe den Song tatsächlich schon vor Corona geschrieben. Es ist ja nicht so, als hätte da noch nichts im Argen gelegen. Doch dann kamen so viele schlechte Nachrichten dazu: die Proteste in den USA, Reichsbürger:innen stürmen den Reichstag – what the fuck is going on? Ich fand es gut, das so vage zu halten, dass man den Song genauso gut auf die Außenwelt beziehen kann wie auf eine Beziehungskrise oder einen internen Zwist.
Schätzt du es, wenn Musik eine Projektionsfläche bietet?
Gruber: Ja, total. Deshalb hoffe ich, ein Song wie „Exit Strategy“ – oder überhaupt die ganze Platte – ist vage genug, dass die Leute da ihren eigenen Zugang finden können. Das ist doch auch geil: Dass etwas zu etwas werden kann, das es eigentlich vielleicht gar nicht sein sollte.
Würdest du sagen, dass diese Einladung an die Hörer:innen, sich den Song zu eigen zu machen, eine der Stärken von Popmusik ist?
Gruber: Das klingt jetzt abgedroschen, aber ich habe wirklich aufgehört, Musik unter irgendwelchen Genre-Gesichtspunkten zu betrachten. Ich liebe Slayer! Wenn ich Sport mache, will ich Satyricon hören, will ich Three Inches Of Blood hören, will ich angeschoben werden. Aber das ist für mich genau so wertig und schön wie Blumfeld oder Tic Tac Toe. Ich will einfach, dass Musik was in mir auslöst. Ich würde nicht behaupten, dass Popmusik besonders gut darin ist, Projektionsfläche zu bieten.
Trotzdem hast du mit Drangsal auf „Exit Strategy“ einen weiteren Schritt in Richtung Pop gewagt.
Gruber: Ich glaube, dass die musikalischen Gegebenheiten ganz viel damit zu tun haben, wie einfach man einen Zugang zu was findet. Das ist vielleicht der Grund, warum ich das immer versuche … to dumb it down. Denn es ist für deutschsprachige Popmusik immer noch fürchterlich komplizierte Musik. Der Begriff „Pop“ muss weiter werden. Das, was ich mache, ist Pop- und Rockmusik. Trotzdem finde ich, dass es eine Kunst ist, etwas so zu sagen, dass es alle verstehen – das gilt auch auf musikalischer Ebene. Das war mir sehr wichtig: zu versuchen, es so hohl wie möglich zu gestalten.