Zum Inhalt springen

Eisenstein in Guanajuato

Peter Greenaway inszeniert die Mexikoreise Sergej Eisensteins als infernalisches Schnittgewitter, das sämtliche Sinne überreizt.

Dass der britische Regieavantgardist Peter Greenaway dem sowjetischen Regisseur Sergej M. Eisenstein („Panzerkreuzer Potemkin“) mitnichten ein konventionelles Biopic widmen würde, war zu erahnen – doch selbst den Zuschauern, die mit dem Werk Greenaways vertraut sind, dürfte „Eisenstein in Guanajuato“ noch erstaunte Reaktionen abtrotzen.

Greenaway beschränkt sich auf Eisensteins zehntägige Mexikoreise zu Beginn der 30er Jahre, die zwar künstlerisch nicht die erwünschten Früchte trug – Eisenstein konnte sein ambitioniertes Filmprojekt nie vollenden –, dafür aber tiefe Spuren in seiner Persönlichkeit hinterließ. Das mutmaßt jedenfalls Greenaway. „Für mich werden diese zehn Tage die zehn Tage sein, die Eisenstein erschütterten“, untermauert er in Anlehnung an Eisensteins Stummfilm „Oktober: Zehn Tage die die Welt erschütterten“ aus dem Off seinen subjektiven Blickwinkel – zu keinem Zeitpunkt verfolgt Greenaway dabei den Anspruch eines realitätsnahen Porträts der Regielegende, sondern fabuliert einfach wild drauf los.

Der von Theaterschauspieler Elmer Bäck als clowneskes Genie interpretierte Eisenstein ist fasziniert von mexikanischer Mythologie, nimmt an religiösen Ritualen teil und lebt erstmals seine unterdrückte Homosexualität aus. Das alles erzählt Greenaway als infernalisches Schnittgewitter aus sich pausenlos überlagernden Bildeindrücken – nochmals multipliziert durch ständigen Einsatz von Splitscreen, in dem sich Archivmaterial, Sequenzen aus Eisenstein-Filmen und Greenaways eigene Bilderströme gegenüberstehen, einander aufheben, zu einer rhythmischen Einheit verschmelzen. Eine Sinnesüberforderung, die dem für seine revolutionäre Montagetechnik berühmt gewordenen Eisenstein zur Ehre gereicht.

Am Ende ist man wie geplättet von dieser Flut an audiovisuellen Reizen – und überrascht, wie frisch ein Film des 73-jährigen Greenaway sich noch anfühlen kann. Ab 22. Januar ist „Eisenstein in Guanajuato“ im Handel erhältlich. (sb)

Beitrag teilen: