Ella Carina Werner: Flirt mit Post-Millennials
Die Titanic-Herausgeberin und Satirikerin Ella Carina Werner geht mit ihrem neuen Buch „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“ auf Lesereise.
Sie war Redakteurin der Titanic und ist inzwischen Mitherausgeberin des Satiremagazins, und seit geraumer Zeit schreibt sie in der Nachfolge von Max Goldt und Heinz Strunk die Titanic-Kolumne. Ella Carina Werners Stil ist der des Understatements, ganz harmlos fängt bei ihr auch die Handlung der Geschichten an, die im neuen Buch „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“ veröffentlicht wurden. Etwa in der Erzählung „Schlechter Flirt“, wo das literarische Ich in einer dunklen Straße von Hamburg St. Pauli von drei männlichen Post-Millennials angemacht wird und zur Höchstform aufläuft. Am Ende räsonieren sie zu Viert bei einem Stehbier, dass Ella Carina Werner ihre Stiefel, die sei früher immer „Fick-mich-Stiefel“ genannt hat, so nicht mehr nennen kann „im Zuge von MeToo und weiblicher Selbstermächtigung“. Das Brainstorming des Quartetts aber müssen Sie schon selbst nachlesen oder in eine Lesung der Autorin gehen.
Ella Carina Werner ist nicht umsonst die Nachfolgerin von Max Goldt und Heinz Strunk in der Rubrik der Titanic-Kolumne. Mit einem ganz anderen Zugriff als Goldt und einem ganz anderen Gefühl für Fallhöhe und daraus resultierender Komik als Strunk, aber auch mit einem ganz anderen Setting in einem fast immer weiblichen Umfeld bringt Werner den Alltag zum Klingen. Mit ihren Freundinnen im Café plaudernd oder sich den Zumutungen der Mutter liebevoll-entschieden erwehrend, zeigt sie in den Geschichten zwar den Alltag des Lebens auf, aber natürlich nicht den echten Alltag, sondern den künstlerisch aufbereiteten. Es sind locker hingeschriebene Geschichten, Kritik an Menschen oder Verhältnissen wird parlierend geübt, innerhalb der Schilderung der Szene oder im O-Ton der Beteiligten. Dass sich wirklich alle Figuren reihum mal zu weit aus dem Fenster lehnen, ist klar. Dass sie lediglich den sanften Spott der Erzählerin ertragen müssen, ebenso. Doch Werner teil nicht nur aus, ihr Markenzeichen ist genauso, dass sie ihr literarisches Ich im Dienste der Dramaturgie bereitwillig in jedes Fettnäpfchen treten lässt; und davon stellt die Autorin Ella Carina Werner nun wahrlich genug hin.
Sich zum Honk zum machen, ist seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit bei männlichen Satirikern oder Comedians. Es ist Ausdruck von Selbstbewussstein. Doch längst haben auch Frauen sich dieses Standing angeeignet. Ella Carina Werner perfektioniert die spielerische Decsavouierung ihres Personals bis hin zur Ich-Figur, manchmal ganz dezent, manchmal deutlich und ohne Gnade. Genauso beherrscht sie aber auch die plötzliche Hinwendung zum Versöhnlichen, wo es gerade noch ganz anders aussah und Krawalliges im Anflug war. Besser als zum Beispiel in der eingangs schon erwähnten Geschichte im nächtlichen St. Pauli kann man es gar nicht machen: Da wird aus einer doch recht dummen Anmache von jungen Männern nach einem herzhaften Konter der selbstbewusst und resolut, aber nicht aggressiv auftretenden Ich-Figur Werner nicht etwa ein gegenseitiges Rumpöbeln, im Gegenteil, man verständigt sich auf ein gemeinsames letztes Bier vor dem Heimgehen. #MeeToo wird noch Teil der Geschichte, aber nicht als Belehrung, sondern über das gemeinsame Nachdenken über Werners alte „Fick-mich-Stiefel“.
Nicht aus dem neuen Buch „Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen“, sondern aus vor Vorgängerbuch „Der Untergang des Abendkleides“: Eine Geschichte mit der Mutter von Ella Carina Werner, die auch im neuen Band regelmäßig vorkommt.