Emma Rawicz: Schöne Grüße an die alten Hasen!
Die junge, britische Jazzszene boomt – und die gerade mal 21-jährige Saxofonistin Emma Rawicz hat auch ein überzeugendes Konzept für den Generationenkonflikt.
Emma Rawicz im Interview über ihr neues Album „Chroma“
Emma, viele Menschen wissen sicher nicht, was eine Synästhetikerin ist – und du bist eine. Erklär’ mal!
Emma Rawicz: Für mich haben Musik und Farben eine natürliche Verbindung. Harmonien und Akkorde rufen in mir das Bild bestimmter Farben und Formen hervor. Was allerdings wiederum im Kontext von Improvisation mit anderen Musikern ziemlich wandelbar ist. Das ist für mich oft hilfreich, weil ich mich einfach auf Farben statt auf ein kompliziertes Notenblatt konzentrieren kann.
Geht das umgekehrt auch? Siehst du einen roten Bus vor einer gelben Fassade und spürst die dazu passende Musik?
Rawicz: Na ja, so spontan klappt es nicht, aber im Prinzip stimmt das schon. Wenn ich mich lange genug auf eine Farbe konzentriere, höre ich Musik in meinem Kopf. Das ist tatsächlich auch der kompositorische Prozess, den ich auf meinem neuen Album „Chroma“ durchlaufen habe: Ich habe mich für ungewöhnliche Farben entschieden und dann entsprechend komponiert.
Du spielst Tenorsaxofon, Flöte und Bassklarinette. Wenn du nur eines dieser drei Instrumente behalten dürftest – wofür würdest du dich entscheiden?
Rawicz: Ganz klar für das Tenorsaxofon. Dieses Instrument hat mich gefesselt, lange bevor ich es überhaupt spielen konnte. Zu diesem Instrument habe ich die direkteste und natürlichste Beziehung. Aber es wäre trotzdem verdammt schade, wenn ich dafür all die anderen Instrumente aufgeben müsste, die ich spiele. Sie bereichern und inspirieren mich.
Gibt es gerade einen Umbruch in der britischen Jazzszene? Ich habe das Gefühl, dass da täglich neue, sehr junge Talente durch die Decke gehen.
Rawicz: Das ist wie mit jeder sogenannten Szene. Du hast Leute aus mehreren Generationen, mit unterschiedlichem Background. Ich glaube, das macht die Szene so stark, so vielfältig und interessant. Mich inspiriert die Arbeit mit älteren Musikern und mit Leuten aus meiner Generation gleichermaßen. Schöne Grüße an die alten Hasen: Ihr führt mich, beratet mich, und jedes Mal, wenn ich mit euch spiele, lerne ich so viel.
Wie viel von der Musik auf „Chroma“ ist deine Musik?
Rawicz: Ich habe das komplette Ausgangsmaterial komponiert: Form, Melodien, Harmonien und Groove. Aber einen großen Teil der Musik schreibe ich, während ich schon an die Musiker denke, mit denen ich spiele. Ich möchte ihnen Räume geben, dem Ganzen ihren Stempel aufzudrücken.
Bist du in diesen Prozessen dann immer noch Bandleaderin?
Rawicz: Ich glaube, dass der Begriff des Bandleaders nur eine Formalie ist, die die Logistik des Zusammenspiels erleichtert. Für mich ist jede Form von Musik und besonders Improvisation eine komplett demokratische Angelegenheit, bei der alle ihre eigene Stimme und eigene Ideen einbringen. Ich definiere den Prozess als eine offene Konversation, bei der es keinen Leader geben muss.
Apropos Definitionen, wie würdest du deinen Stil beschreiben? Neobop? Jazzrock? Nichts davon?
Rawicz: Ich finde es immer schwierig, meinen Stil zu definieren, und werde das auch jetzt nicht tun. Warum? Wenn ich morgen die gleiche Frage gestellt bekomme, müsste ich wieder eine andere Antwort geben.