Endstation Sehnsucht: Berliner Ensemble
Düsterer Realismus: Michael Thalheimer kommt im Berliner Ensemble an
Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“ ist gleichzeitig eines der wuchtigsten Dramen der amerikanischen Literatur und eines der berührendsten. Die ehemalige Südstaatenschönheit Blanche steht vor dem finanziellen Ruin und flieht zu ihrer Schwester Stella. Die hat sich in der Großstadt ein ärmliches aber gesetteltes Leben an der Seite des Fabrikarbeiters Stanley aufgebaut, Subproletariat an der Grenze zum Kleinbürgertum, dem Blanche mit elitärer Verachtung gegenübersteht. Allein: Stanley erkennt, dass Blanches Position in erster Linie auf Selbstsuggestion gründet …
Michael Thalheimer eröffnete das neue Berliner Ensemble vergangenen Herbst mit dem „Kaukasischen Kreidekreis“ und sollte so ein Stament setzen, dass das Haus trotz Intendantenwechsels weiterhin eine Brecht-Bühne sei. So richtig funktionierte die Inszenierung freilich nicht, Thalheimers strenges, düsteres Theater verhedderte sich in den jegliche Identifikation verweigernden Strukturen des Brechtschen Lehrstücks.
Sozialrealismus allerdings beherrscht der Regisseur, das bewiesen unter anderem seine stilprägenden Auseinandersetzungen mit Hauptmann und Büchner. Entsprechend könnte „Endstation Sehnsucht“ als Drama einer sich zwischen in den Wahnsinn driftenden Elite und einer in die Gewalt abrutschenden Unterschicht zersplitternden Gesellschaft das eigentliche Ankommen Thalheimers am Schiffbauerdamm markieren.