Zum Inhalt springen

Che Guevara war ein Egoist, und eine Nonne ist egoistisch!

Enissa Amani
Enissa Amani (Foto: Neven Allgeier)

Enissa Amani macht Ernst. Zu kulturnews sagt sie im Interview, es liege an ihren Eltern, dass sie – wo nötig – politisch wird und widerspricht.

Frau Amani, Ihr Elternhaus hat Sie von früher Jugend an zu einem politischen Menschen erzogen, das konnte man schon vor Jahren merken, sobald man Sie in der Öffentlichkeit oder in einer Ihrer Shows erlebte. Aber was hat sich seit über einem Jahr geändert, dass Sie sich noch viel stärker und offensiver zu Wort melden? Haben Sie sich mehr verändert, oder reagieren Sie auf eine sich verändernde Gesellschaft?
Enissa Amani: Das sind schon zwei Jahre, seit ich intensiver politisch auftrete. Das erste viral gehende Statement, das dann auch von vielen Journalisten wie Jan Böhmermann geteilt wurde, war 2019 nach dem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch in Neuseeland. Was mich damals so wahnsinnig auf die Palme brachte, war gar nicht der Anschlag an sich. Anschläge sind was Trauriges, egal wer sie verübt und egal gegen wen sie verübt werden. Sie nehmen jeden normal denkenden Menschen mit. Nur war es damals aber so, dass die AfD Gelsenkirchen auf ihrer Instagram-Seite einen Post veröffentlichte und dann ganz schnell wieder löschte. Da stand sinngemäß, dass man sein Beileid für die Opfer und deren Hinterbliebene ausspreche, man solle aber nicht vergessen, dass die eigentliche Gefahr vom Islam ausgehe.

„Sauer“ ist kein Ausdruck für das, was Sie im Video sind.
Enissa Amani: Das hat mich so wütend gemacht, ich dachte, wie pietätlos muss man sein, dass man – völlig egal, wo man politisch steht, so reagiert. Und was mir hier wirklich sehr wichtig ist: Ich wäre auch komplett in Rage gewesen, wenn nach dem 11. September jemand sein Beileid gepostet und dann nachgeschoben hätte: Lasst uns bitte nicht vergessen, dass die Amerikaner die Bösen sind. An einem Tag, wo gerade Mütter ihre Kinder verloren haben, macht man das einfach nicht!

Sie mussten sofort reagieren?
Enissa Amani: Ich habe noch spät in der Nacht ein Video gemacht. Es wurde mehre Millionen Male gelikt und geteilt und hatte circa 10 000 Kommentare. Damals habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich von vielen Menschen als politisch wahrgenommen wurde. Wobei das schon fast ein bisschen komisch ist, denn ähnliche Aussagen hatte ich auch schon vorher gemacht. Da allerdings immer nur schriftlich, in Textform.

Was war die Folge?
Enissa Amani: Ich habe zum ersten Mal erkannt, was ein Video ausrichten kann. Dass es speziell bei meiner Person mehr Impact hat, mehr Einfluss, wenn ich selbst in die Kamera spreche, statt lange Texte auf Instagram oder Facebook zu posten. Dieses Gefühl, vermehrt wahrgenommen zu werden, ehrt mich einerseits, ist manchmal aber auch eine große Bürde. Ich bin für viele Menschen einer Generation die Sprecherin geworden. Dann heißt es plötzlich: Enissa, kannst du nicht mal was zu Chile, Enissa, in Indien sind gerade Aufstände. Enissa, was ist mit China und den Uiguren? Das alles ehrt mich, aber viele Menschen vergessen doch, dass ich in erster Linie durch und durch Künstlerin bin, die auf der Bühne steht, dass ich chaotisch bin und impulsiv mit allen guten und schlechten Seiten.

Sie nutzen gerne Social Media, wenn Sie politisch werden. Twitter ist auch bei allen Videos ein ganz wichtiger Kanal für Sie. Welche Bedeutung haben Social Media grundsätzlich für Sie?
Enissa Amani: Gott sei Dank – ich halte es nämlich für gesünder! – gehöre ich zur letzten Generation, die noch mit Fernseher groß geworden ist. Bei meinem ersten Auftritt bei Stefan Raab hatte ich noch nicht mal einen Facebook-Account. Erst danach habe ich mich da angemeldet und erst Monate später Instagram eingerichtet. Twitter habe ich Jahre lang überhaupt nicht benutzt, um dann wieder aktiver zu werden. Grundsätzlich sehe ich Social Media als demokratisches Tool, ein Werkzeug, das man aber mit großer Vorsicht benutzen sollte. Ich sehe es fast so wie damals die Entwicklung der Atomenergie mit der Intention, die Welt besser zu machen. Aber das kann auch ganz schlimm nach hinten losgehen. Social Media können privat und gesellschaftlich grauenvoll sein. Sie können einzelne Menschen in Depressionen treiben, das kann bis zum Tod führen. Wir wissen inzwischen genug über Themen wie Cybermobbing, um das einzuschätzen. Du kannst als einzelne Person mit einer ungefilterten Masse konfrontiert werden, die dich angeht. Gesellschaftlich bieten Social Media die Möglichkeit, die Welt zu vernetzen, so dass man meinen müsste, die Welt zu einer besseren machen zu können, weil jeder auf jeden aufpassen kann und alles so wahnsinnig transparent wird.

Und genau so, wie Sie zuletzt sagten, wenden Sie Social Media ja auch an. Letztes Beispiel: die WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“. Einen Tag nach der Sendung stellten Sie ein knapp 20-minütiges Video online, in dem Sie Ihre Abscheu über die rassistischen Ausfälle in der Sendung drastisch zum Ausdruck brachten und dabei gleichermaßen analytisch wie emotional waren. Kommt so was direkt aus dem Bauch heraus?
Enissa Amani: Das ist sowohl meine größte Stärke als auch meine größte Schwäche. Ich bin definitiv ein Mensch, der versucht, aus seinen Schwächen Stärken zu machen. Aber dann habe ich Momente wie in dem Video, wo ich sehr emotional werde und das ein oder andere Wort sage, das ich bei späterer Einschätzung weggelassen hätte. Dann denke ich wieder, dass manchmal Sachlichkeit einfach deplatziert ist. Sagen wir mal, ich möchte – und damit ist jetzt nicht der WDR gemeint! – einem Rassisten antworten wie damals dem AfD-Politiker, dann ist Sachlichkeit deplatziert. Nun sind wir Deutsche von unserer Art her sehr strukturiert, wir sind sehr ruhig und organisiert, weshalb auch in der Diskussion immer wieder Sachlichkeit und Ruhe gefordert wird. Ich glaube aber, dass es manchmal – je nachdem, womit du konfrontiert bist – gerade eine klare und scharfe Antwort braucht.

Und die Reaktionen waren ja auch sehr positiv.
Enissa Amani: Ein Großteil der vielen positiven Antworten kam von Menschen, die nicht den in der WDR-Talkshow verunglimpften Minderheiten angehören. In meinen Lieblingskommentaren stand oft sinngemäß: „Enissa, ich bin ein alter weißer deutscher heterosexueller Mann und gehöre keiner Minderheit an. Danke für diese aufrüttelnde Backpfeife!“ Ich glaube, dass wir alle ständig an unseren Schrauben drehen müssen und gucken, wie wir uns in den letzten Jahren verhalten haben und wo wir an uns arbeiten müssen. Wenn wir nicht wachsen, wächst auch die Gesellschaft als ganzes nicht.

Woher rührt in solchen Momenten Ihr viraler Erfolg. Haben Sie eine Erklärung?
Amani: Als das erste Video zwei Millionen Views hatte, war ich in Bezug auf eine Talkshow sehr pessimistisch. Ich dachte, dass ein langweiliger, sachlicher Wissenschaftstalk eher untergeht. Ich sagte aber zu meinem Manager: Komm, lass es uns machen, auch wenn es teuer für uns wird. Ich sagte mir, es wird zwar untergehen, eine kleine intellektuelle Bubble wird es gucken, aber es ist wichtig.

Sie waren im vergangenen Herbst zu Gast in Michel Friedmanns Videoformat „Friedmann schaut hin“. Da sagten Sie, dass Sie in ihren Comedyprogrammen absolut noch nicht in Ihren Schmerzbereich gegangen seien und dass Sie in diesen Regionen Ihrer selbst wohl frühestens in fünf Jahren ankämen. Sind Sie sicher, dass Sie dann noch Comedian sind?
Enissa Amani: Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Solche Gedanken habe ich sehr früh in meinem Leben abgelegt. Es ist auch ein großer Ratschlag für andere Menschen, nicht so sehr in Plänen zu arbeiten. Mich hat schon nach dem Abi irritiert, wenn Leute von ihren Fünfjahresplänen gesprochen haben. Mein Manager wird machmal halb wahnsinnig, wenn ich zum Beispiel sage, dass ich keine Lust mehr habe, Talks zu machen, sondern lieber Skulpturen machen will. Er fragt dann: Was verstehst du denn von Skulpturen?! Ich darauf: Doch, besorg mir einen Stein, ich will Bildhauerin werden!

Aber was ist denn dann Ihr Ziel?
Enissa Amani: Ich möchte, dass mir Menschen die Wahrnehmung als Künstlerin lassen, selbst wenn sie mich schlecht finden. Selbst wenn sie meinen Output gar nicht mögen. Die mich aber dennoch als integre Künstlerin akzeptieren, weil ich selbst jetzt beim drastischen Einkommensausfall durch Corona die Einladungen von Castingshows ablehne oder Formate von Netflix nicht umsetze, in denen ich moderieren soll wie Menschen Pfannkuchen braten. Ich liebe die Bühne, ich liebe den Stand-up, den ich auch nie aufgeben werde. Ich schreibe seit zwei Jahren Drehbücher, mein erster Kurzfilm kommt bald.

Jetzt haben wir aber schon mehrere Möglichkeiten des Berufswechsels: Bildende Künstlerin, Drehbuchautorin, Filmemacherin. Produzentin politischer Talkshows wie „Die beste Instanz“, die Sie nicht nur gemacht, sondern auch moderiert haben.
Amani: Ich hab auch die Regie gemacht. Mein Manager ist selber studierter Regisseur und ist bis obenhin voll mit Arbeit, der dreht Musikvideos. Er sagte sofort: Enissa, das machst du aber selber, auch den Schnitt. Und ich finde das toll, ich hatte zum ersten Mal ein Team, das mich aufblühen lässt.

Und als Talkmasterin?
Enissa Amani: Ich sehe mich als ganz schlechte Talkerin. Seit Jahren kämpfe ich darum, dass bei Wikipedia das Wort „Moderatorin“ rausgenommen und „Produzentin“ reingenommen wird. Das ist aber gar nicht so einfach. Ich weiß nicht, wer der Autor ist, aber der korrigiert das immer wieder um. Das ist vielleicht nur ne Kleinigkeit und geht in dem Moment vielleicht nur um mein Ego, aber: Ich habe zwei große, internationale Netflix-Shows gemacht, ich war die Erste in Deutschland, die für Netflix selber produziert hat, wenn auch im Team, aber ohne extra geholten Produzenten. Jetzt habe ich den Talk selber produziert und Regie geführt. Und dennoch wird in Deutschland, nicht nur bei Wikipedia, wie auf einer Bauchbinde das Wort „Moderatorin“ verwendet. Dabei lehne ich alle Moderatorenjobs ab! Und der einzige Grund ist: (lacht) Ich halte mich für einen sehr schlechten Talk-Host, weil ich selber so viel babbele. Ich rede den Leuten ständig rein und bin überhaupt nicht dazu in der Lage, sie ausreden zu lassen. Ich habe das sogar extra meinen Gästen vor „Die beste Instanz“ noch mal gesagt.

Ich empfand das aber beim Schauen des Talks gar nicht so.
Enissa Amani: Meine Gäste und mein Team meinten auch vor der Aufzeichnung, dass die Sendung meine Delivery braucht, meine Geschichten braucht, weil sie sonst zu langweilig, zu wissenschaftlich wird. Sie sagten: Du bist kein typischer Talk-Host, sondern selber eine Sprecherin, die Leute gucken das auch wegen dir! Nur deswegen habe ich mich zum ersten Mal frei genug gefühlt, das auch zu machen. Davor hatte ich recht früh in meiner Karriere gemerkt, dass ich kein guter Talkshow-Host bin, weil ich zu viel spreche, weil ich Leuten reinspreche. Jetzt aber hatte ich ein Format, wo ich frei von einem Sender bestimmen konnte, wie es geht. Wo ich selber am Schnitt gesessen und dabei große Teile meiner Beiträge rausgeschnitten habe, weil ich mir sagte: Da hast du mal wieder viel zu viel gelabert, Mädchen! Das kannst du später noch mal in irgendwelchen Videos oder Podcasts erzählen.

Ein Vorteil war also, dass kein Sender involviert war?
Amani: Wir haben jetzt viele Angebote auf dem Tisch, und viele Leute sagen, dass es doch toll wäre, wenn das Format weiterginge. Ich möchte das Format aber keinem Sender geben, sondern viel lieber Guerilla-mäßig weitermachen. Ich möchte aber niemals eine wöchentliche Talkshow machen. Das wäre dann total punktuell, vielleicht drei Sendungen im Quartal und immer zu ganz spezifischen Themen. Schließlich möchte ich noch Filme machen, ich möchte die Musik zu den Filmen machen, vielleicht will ich doch noch Bildhauerei machen. (muss lachen)

Frau Amani, jetzt muss ich Sie aber stoppen, das sind ja Themen für drei weitere Interviews! Sie haben für „Die beste Instanz“ innerhalb kürzester Zeit ein Line-up von qualitativ sehr hochwertigen Gästen zusammengestellt. Das ist ein weiterer Aspekt der Tatsache, dass Sie politischer geworden sind: Ich unterstelle jetzt mal, dass Sie die Kontakte schon vorher geknüpft und über Social Media stabilisiert haben.
Enissa Amani: Darüber hatte ich erst vor kurzem nachdenken müssen. Darüber, wie schön solche Momente sind. Mein Kontakt zu Max Czollek ist entstanden, weil ich sein Buch „Desintegriert euch“ gelesen und dann aus meinem Kölner Stamm-Café heraus ein Story-Post gemacht habe zwischen 20 anderen Posts. Bis dahin hatte ich überhaupt keinen Kontakt zu Max. Daraufhin hat Max das gelikt und ein „Dankeschön“ zurückgeschrieben. Dann hat er irgendwann geschrieben, er sei jetzt in Frankfurt beim Literaturfestival, und ob wir uns nicht auf einen Kaffee treffen wollen? Ich antwortete, ich sei gerade mit Michel Friedman für ein Interview zusammen. Darauf antwortete Max, Friedman sei doch ein Freund von ihm, da könnten wir uns doch direkt zu Dritt auf einen Kaffee treffen. Hätte ich Max’ Buch nicht gelesen und hinterher in eine Story gepackt, wäre dieser Kontakt so ganz sicher nicht zustande gekommen. Es ist also meiner weiteren Politisierung zu verdanken, dass ich Max überhaupt kennengelernt habe. Auch Natasha Kelly würde ich nicht kennen. Die hatte ich in einem Tacheles-Podcast eines Kultursenders gehört und fand sie ganz wunderbar. Auch Natasha habe ich über Social Media angeschrieben und habe ihr gesagt: Du brauchst unbedingt mehr Reichweite! Kann ich irgendwann mal was für dich tun? Gibt es irgendwas, wo dir meine Reichweite nützlich wäre? Darauf sie: Du, ich würde gerne mal mit dir live gehen! Ich bin dann mit Natasha bereits vor einem Jahr live gegangen auf Instagram. Da konnten Leute Fragen stellen, die von ihr mit Expertise beantwortet wurden. Zu Ihrer Frage: Ja, das ging über Social Media, und es war mein eigener Entwicklungsprozess.

Ihr Vater saß im Iran im Gefängnis, bevor die Familie 1987 nach Deutschland ausreisen konnte. Ihre Eltern waren schon während des Schah-Regimes Oppositionelle und aufgrund ihrer linken Gesinnung nach der islamischen Revolution von 1979 in keiner guten Situation. Wie reagieren sie, wenn sie sehen, dass ihre Tochter immer politischer wird?
Enissa Amani: Sie sind eine starke Unterstützung. Für meinen Vater ist alles, was politisch um meine Person passiert, immer sehr viel wertvoller als alle Erfolge, die können noch so groß sein. Ich erinnere mich, dass ich schon im Fernsehen in jeder Sendung gewesen bin und in jeder Talkshow. Dann hat einmal BBC Persian, einer der größten politischen Radiosender der Welt in persischer Sprache, ein Fünf-Minuten-Interview mit mir gemacht. Die wollten einfach nur wissen: Ach, du bist Iranerin in Deutschland! Denkst du denn auch mal daran Stand-up auf Persisch zu machen? Ich weiß noch, dass mein Vater vier Tage lang aufgeregt war wie ein Huhn, mich die ganz Zeit angerufen hat und mir immer wieder sagt: Und wenn sie dich fragen, warum die Partei sich damals gespalten hat und welchem Flügel wir genau angehörten, dann musst du unbedingt sagen … Ich nur: Papa! Die fragen mich nur nach meinem Namen, was ich in Deutschland mache und ob ich irgendwann mal persische Sachen machen will. Bis heute ist es für meinen Vater größer und wichtiger und schöner, wenn die FAZ mich im Feuilleton hat oder die Taz auf dem Titel, als wenn ich sage: Du, Papa, ich hab jetzt den größten Netflix-Deal Deutschlands bekommen. Was ich meinem Papa hoch anrechne, ist auch diese Art von Erziehung. Er hat mich mit dieser Erkenntnis großgezogen, dass das viel mehr Wertigkeit hat als alles, was einem Geld oder Erfolg bringt, selbst als wir damals kein Geld und keinen Erfolg hatten. Nicht dass ich nicht auch ein Mädchen bin, das ich gerne schöne Klamotten kauft und Schuhe und dann Fotos von sich postet, aber da komme ich inzwischen nach meinem Vater, das Politische ist für mich immer viel wertiger. Aber nicht ohne egoistische Gründe! Das habe ich auch von meinem Vater gelernt: Wer die Welt verbessern will, macht das, weil er sein Ego befriedigen will. Che Guevara war ein Egoist, und eine Nonne ist egoistisch, denn jeder strebt nach seiner Erfüllung. Nur ist es halt besser, wenn einem Erfüllung bringt, anderen Gutes zu tun, als Serienkiller zu sein.

Was sagt Ihr Vater, wenn er Ihre Wutreden gegen AfD-Rassisten hört oder gegen die jüngste Ausgabe von „Die letzte Instanz“?
Enissa Amani: Er macht sich große Sorgen. Er bekommt ja auch die Morddrohungen mit, die reinkommen. Ich versuche das von ihm wegzuhalten, aber manchmal poste ich was davon, außerdem ist er in Kontakt zu meinem Team und meinem Manager. Mein Vater macht sich große, große Sorgen. Ich bin meiner Mutter sehr ähnlich, sie ist auch eine sehr starke, sehr, sehr mutige Frau, die immer ohne Angst in der Welt herumreist, da, wo sie gerade gebraucht wird als Ärztin. Ich tweete ja auch sehr frech gegen die iranische Regierung und beschimpfe die regelmäßig. Mein Vater gerät da komplett aus dem Häuschen, er sagt mir immer wieder: Du unterschätzt, wie weit deren Arm reicht! Du hast es nicht miterlebt, als hier die Anschläge waren wie zum Beispiel das Attentat im griechischen Restaurant Mykonos in Berlin. Das war 1992, als vier Attentäter in Berlin iranische Oppositionelle erschossen haben. Papa sagt immer: Ja, mach das! Ich bin sehr stolz auf dich! Aber bitte sei vorsichtiger damit!

Sprechen Sie mit ihm auch über das, was hier in Deutschland geschieht?
Amani: Eigentlich nur! Ich wünschte, wir würden mal nicht über Politik reden! (lacht) Ich bin nur mit solchen Themen aufgewachsen, habe mir so oft gewünscht, dass wir mal über was Banales sprechen. Oder über den neuesten Film, der in die Kinos gekommen ist. Aber von väterlicher Seite kommt ständig ein laufendes News-Portal oder ein sprechendes Lexikon oder Feuilleton: Welche Neuausgabe von welchem Buch gibt es, welcher neues Schriftsteller hat was publiziert? Das ist für mich natürlich eine super Quelle. Wenn ich zum Abendessen komme, brauche ich nur mein Notizbuch zu zücken und bin hinterher angefüllt mit Neuigkeiten aus aller Welt, von Kunst, Kultur, Nachrichten. Das kann aber auch verdammt anstrengend sein.

Hat er auch eine Analyse Ihres Polittalks vorgenommen?
Amani: (stolz) Er hat das persische Wort für „ausgezeichnet“ benutzt. Er hat gesagt, das war ein ausgezeichneter Talk mit tollen Gästen. Mit einer solchen Sendung treffe ich bei ihm in die Kerbe. Genau so etwas wie diese Sendung wünscht er sich für mich.

Interview: Jürgen Wittner

Beitrag teilen:

Mehr Kulturhighlights imkulturnews.letter

Jetzt kostenlos abonnieren