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Estampie

Keltische Liebesdichtung, bretonische Tänze, Musik des Mittelalters, gespielt auf Drehleiern, Fiedeln und Schalmeien: Eigentlich müsste das Münchener Ensemble Estampie um Michael Popp ziemlich ältlich wirken. Doch ihre Klangsprache ist up to date.

citymag: Herr Popp, Ihre klassische musikalische Ausbildung erhielten Sie unter anderem bei Nikolaus Harnoncourt in Salzburg. Wie sehen denn Ihre Kommilitonen das, was Sie heute machen?

Michael Popp: Wir Studenten der Alten Musik waren damals schon Exoten. Den Popularismus – der Schröder’sche Ansatz gewissermaßen –, den wirft man sich unter Musiker natürlich gern gegenseitig vor. Wir machen unsere Musik nicht aus reinem Populismus, dafür müssten wir das viel stringenter durchziehen. Uns geht es darum, einen eigenständigen Stil durchzusetzen, so hart es ist und so langwierig das sein mag. Und mal nebenbei: Der Kommerzialisierung im klassischen Bereich entkommt heute keiner mehr.

citymag: Sie legen viel Wert auf die authentische Atmosphäre Ihrer Musik. Was ist denn modern daran?

Popp: Klangliche Dinge. Die Instrumente sind alle original, da ist nichts Elektronisches dabei. Modern sind die Aufnahmeverfahren, die Harmonieführung und gewisse Momente im Arrangement. Da klingen dann etwa Minimal-Musik-Elemente mit an, die ganz und gar heutig sind. Für mich ist immer entscheidend, ob unsere Stücke den althergebrachten Pop-Song-Test bestehen: dass man sie nach dem Hören mitsummen kann.

citymag: Die mittelalterliche Musik boomt seit Jahren. Ist das die Flucht in die Idylle der Vergangenheit angesichts einer immer bedrohlicheren Gegenwart?

Popp: Es ist die Sehnsucht nach etwas Unmittelbarem, direkt Erfahrbarem. Deshalb haben die Mittelalter-Märkte, mit denen ich nun wirklich nichts anfangen kann, solch einen Erfolg. Gleichzeitig bietet es ausreichend Raum für Fantasie. Ich sehe da viele Parallelen zur Psychedelischen Musik und dem Indien-Boom der 70er.

Interview: Axel Schock

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