Everything Is Recorded: Friday forever
Everything Is Recorded punktete bisher vor allem mit starken Gästen. „Friday forever“ aber ist so spannend, weil es sich als Ganzes entwickelt.
Als Chef des Londoner Indielabels XL Recordings kennt sich Richard Russell mit guter Musik aus: King Krule, Ibeyi, Radiohead und Adele sind nur einige der Künstler*innen, die ihre Platten über das Label des Briten veröffentlichen. Ähnlich eklektisch und vielfältig wie die Musik, die sich hinter diesen Namen verbergen, sind auch die Songs, die Russell selbst mit der Unterstützung zahlreicher Musiker*innen veröffentlicht. Bereits 2018 erschien mit dem selbstbetitelten „Everything is recorded“ eine feinfühlig aufeinander abgestimmte Sammlung von Songs, zu denen Russell die Beats und Arrangements beigesteuert und den Rest so prominenten Kolleg*innen wie Sampha, Ibeyi oder Syd überlassen hat.
Auch auf Album Nummer zwei von Everything Is Recorded bleibt der Brite dem Modell treu, setzt jedoch vermehrt auf noch unbekannte Acts wie die britischen Rapper*innen Aitch, FLOHIO Berwyn Dubois, die irische Singer/Songwriter*innen Kean Kavanagh und Maria Sommerville sowie Ghostface-Killah-Sprößling Infinite Coles, der von allen Gästen am häufigsten auf der Platte zu hören ist. Durch die Auswahl der Kollaborateur*innen könnte der Eindruck entstehen, dass es sich bei „Friday forever“ primär um ein Rapalbum handelt. Und tatsächlich stehen auf der ersten Albumhälfte vor allem die beigesteuerten Rap-Parts im Fokus, jedoch brechen die an reduzierte Elektro-, House- und Garagetracks der späten 90er- und frühen 00er-Jahre erinnernden Beats und Arrangements Russells fast durchgängig mit den gegenwärtigen Boom-Bap- und Trap-Konventionen. Auf der zweiten Hälfte des Albums verschiebt sich der Fokus langsam in Richtung Soul, was vor allem daran liegt, dass Russell den Gesangsparts seiner Kollaborateur*innen mehr Platz einräumt.
Die Verschiebung des stilistischen Schwerpunkts wirkt sich jedoch vor allem auf die Dramaturgie des Albums aus: Den Stücken wird nach und nach das Tempo entzogen, die Arrangements werden reduzierter, die einzelnen Klänge länger gehalten. Vielleicht ist „Friday forever“ gerade deshalb so ein spannendes Album, weil es sich mit jedem Song als Ganzes entwickelt und nie bloß als Verkettung einzelner Klangmomente. „Temporal, yet eternal“, heißt es zu Beginn des letzten Track „Circles“, der mit seinem feinen Streicharrangement noch kurz vor dem Ende einen Moment des Innehaltens bietet. Vielleicht zeichnet Russell damit das Klangerlebnis seines Albums selbst am treffendsten nach. sg
Friday forever erscheint am 3. April via XL Recordings.