Folter der Eitelkeit mit Ferdinand von Schirach
Darf die Strafverfolgung hierzulande foltern? Heute lässt die ARD in „Feinde“ deswegen Klaus Maria Brandauer auf Bjarne Mädel los.
Der frühere Strafverteidiger und heutige Bestsellerautor Ferdinand von Schirach ist heute Abend auf fast allen Kanälen der öffentlich-rechtlichen Sender zu sehen. In den zwei Eineinhalbstündern „Feinde – Gegen die Zeit“ und „Feinde – Das Geständnis“ sowie einer Dokumentation und schließlich in der Mediathek mit einem extra geschnittenen Mix aus beiden Filmen geht es nur um eine Frage: ob und in welchen Situationen ein Polizist nicht doch mal foltern darf, wenn der Zweck die Mittel heiligt.
Bjarne Mädel spielt den Ermittler Peter Nadler, der in einem Entführungsfall schon sehr schnell sehr sicher ist: Georg Kelz hat die 12-jährige Lisa entführt. Beweisen kann er es nicht, doch Nadler weiß, dass er Kelz brechen kann. Heimlich foltert er Kelz mit Waterboarding und hat wirklich Erfolg – scheitert aber dennoch auf ganzer Linie.
Das hat später vor allem mit Strafverteidiger Biegler (Klaus Maria Brandauer) zu tun. Brandauer spielt als Biegler aber nicht nur Nadler/Mädel an die Wand. Biegler strotzt nur so vor Eitelkeit, die – das kann man nicht anders sagen – die Eigelkeit von Schirachs widerspiegelt. Im Film „Feinde – Gegen die Zeit“ lockert das erst gegen Ende die lehrbuchhafte Handlung auf, die zuvor nur eines schematisch durchdekliniert: Ein Kommisar verlegt sich unglaubwürdig immer mehr auf unrechtmäßige Handlungen, um ein Kind zu retten. Für diese Unglaubwürdigkeit kann man Bjarne Mädel keine Vorwürfe machen, zu lückenhaft ist das Drehbuch bei der Tiefenzeichnung seines Charakters. Nadler ist nicht die einzige Figur mit zu wenig Tiefe. Seine Frau und seine Tochter sind gerade mal Staffage.
Schaut man dann „Feinde – Das Geständnis“, ist die Erleichterung zunächst groß: Ein echter von Schirach, wie man ihn aus den Büchern kennt, ist das! Ironisch, leicht respektlos und mit viel schwarzem Humor wird das Privatleben des Strafverteidigers Biegler ausgebreitet, der kettenrauchend durch die Kulissen streift und vom Hausarzt und der eigenen Frau ständig genervt ist, weil die ihn zu einem gesünderen Leben bewegen wollen. Doch kaum tritt der Strafverteidiger in Aktion, ist auch schon die Eitelkeit wieder sein wesentlichster Charakterzug.
Warum das mehr ist als nur Ursache für die Genervtheit der Zuschauer? Weil der Prozess gegen den Entführer zu einem Tribunal gegen den Ermittler wird; geführt von einem Strafverteidiger, der die Staatsanwältin von oben herab in ihre Schranken verweist, ohne von der Richterin auch nur einmal gestoppt zu werden. Diese hätte angesichts ihrer blassen Rolle auch von der Platzanweiserin gespielt werden können. So ist man von der Brandauer’schen One-Man-Show am Ende ernerviert und ermüdet und nimmt in diesem Zustand das Urteil resigniert zur Kenntnis. Sogar hier hat der Film, der ja eine Lehrstunde sein will, versagt: Wer macht sich hinterher noch Gedanken über Folter? Über den Fall aus dem Jahr 2002, als Jakob von Metzler entführt wurde, der Fall, der Pate stand für dieses Drehbuch durch Ferdinand von Schirach? jw