Félix Francisco Casanova: Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich)
Was allen Menschen irgendwann gewährt wird, bleibt dem jungen Dichter Bernardo verwehrt: der eigene Tod. Was er auch anstellt, Bernardo kann nicht sterben. Nach seinem jüngsten Selbstmordversuch macht er sich mit einem Einschussloch in der Schläfe, aber munter weiterschlagendem Herzen auf Einladung seiner Freundin Marta auf in die Berge. Dort soll er dem sterbenden Schriftsteller David bei der Zusammenstellung von dessen Lebenswerk behilflich sein. Doch Bernardo kann in der Villa des Alten nicht zur Ruhe kommen. Immer quälender lastet sein sinnloses weil unendliches Dasein auf ihm, immer mehr stauen sich Abscheu vor dem Leben, Grössenwahn und Hass in ihm an, bis alle moralischen Dämme brechen und Bernardo zum Mörder wird.
Die bizarren Szenerien und grotesken Empfindungswelten, durch die sein Protagonist auf der Suche nach Erleichterung von nun an stolpert, hat Félix Francisco Casanova in gnadenlose und verstörende Bilder gebannt. Unermüdlich schlägt der Roman des „kanarischen Rimbaud“ seine Fangzähne in die Sprache des guten Geschmack und treibt den Leser so immer weiter in ein surreales Wortgeflecht irgendwo zwischen Alptraum, Wahnsinn und der verletzlichen Sehnsucht nach Erlösung: „Die Strassen gleichen den Beinen einer Mulattin, sie sind bedeckt von kaltem Schweiss, die Anzeigetafeln sind Quellen mit phosphoreszierendem Sperma. Mein Bauchnabel ist eine Tarantel aus Stein, mein Darm eine Kletterpflanze, die sich bis zu den Zähnen hinaufschlingt.“ Mit leichter Unterhaltung hat das wahrlich nichts zu tun. Der Text fordert den Leser und bisweilen kann das wilde poetische Toben des bei der Niederschrift erst 17 Jahre alten Sprachkünstlers Casanova sehr anstrengend sein. Wer sich trotzdem ran wagt, wird belohnt. Selten bekommt man so mutige und eigenwillige Jugendwerke zu lesen. (jc)