Ferdinand von Schirach: Die Würde ist antastbar
Ferdinand von Schirachs neues Buch ist sein bisher persönlichstes und gleichzeitig – wie der Titel sagt – eines über die Würde des Menschen in Situationen, in denen wir alle irgendwann schon mal einem Menschen die Würde abgesprochen haben. Persönlich ist das Buch, weil er erstmals über seinen Großvater schreibt, Baldur von Schirach, der als Gauleiter und Reichsstatthalter von Wien die dortige Deportation der Juden im Dritten Reich federführend zu verantworten hatte. In gewohnt einfachen und für einen guten Juristen in ihrer prägnanten Deutlichkeit typischen Worten nähert Ferdinand von Schirach sich seinem Großvater, benennt dessen Gräueltaten, aber auch seine eigene Unfähigkeit, über einen gewissen Punkt hinaus überhaupt verstehen zu können.
Die Klammer des Buches aber sind die Texte über die Würde des Menschen. Ihre Verteidigung gerade in Zeiten des weltweiten Terrorismus ist ein großes Anliegen Ferdinand von Schirachs. Angela Merkels Freude angesichts der Ermordung Bin Ladens wird ebenso als Verletzung der Menschenwürde benannt wie die Tat selbst, die US-Präsident Obama zu verantworten hat. Ob Sicherheitsverwahrung, Nichtraucherschutzgesetz, Frauenquote oder Folter zum Zweck des Informationsgewinns: Alles wird von ihm unter dem Aspekt der Menschenwürde beleuchtet. „Die Würde ist antastbar“ ist ein unaufgeregtes Buch in politisch manchmal hysterischen Zeiten. Es ist nicht nur sehr gut geschrieben, es ist auch absolut notwendig. Jeder, wirklich jeder sollte es lesen. (jw)