Filipa Giordano: Lakritze für die Ohren
Ob man den Klassik-Pop mit hohem Schluchzfaktor von Filippa Giordano nun mag oder nicht: Die 26jährige Italienerin wird sich mit ihrer enormen Energie einen Platz in den Charts der U-Musik sichern.
Mit Filippa Giordano ist es wie mit Lakritz: Entweder man vergöttert sie oder aber man kann sie nicht ausstehen. Nach ihrem allerersten Konzert, im April in Hamburg – anderthalb Stunden einer Mixtur aus Arien (Norma, Carmen, La Traviata), französischer Chansons und englischer Popsongs -, flüchtete sich die ein Teil des Publikums eilig zu Sushi und Sekt, um den Abend zu retten, während der andere Teil sich instanding ovations erging. „Eine Stimme wie ein Engel“ sagten die einen, „erbärmlich dünnes Geschluchze“,“wie ein heiserer Teekessel“, „die reinste Heulboje“ urteilten die anderen, und ergatterten rasch noch ein Glas Sekt.
Dabei will Filippa Giordano, 26 Jahre alt, gebürtige Sizilianerin, wohnhaft in Rom, ehemals Chorsängerin (Sopran) bei Lucio Dalla und Eros Ramazotti, Mutter Mezzosopran, Vater im Chor der Sixtinischen Kapelle, Tante Konzertpianistin … nur das eine: „Opernmusik leichter und zugänglicher machen. Opernarien waren schließlich mal Popmusik.“ Um sie zu reanimieren, behandelt Giordano sie wie Musicals, und findet das legitim: „Ich will niemanden provozieren!“ Das man ihren Gesang häufig mit Celine Dijon und Barbara Streisand vergleicht, empfindet sie als große Ehre– „Das sind doch großartige Sängerinnen!“ Und das ihre Schönheit mit der von Audrey Hepburn und Maria Callas verglichen wird, daran gibt es auch nichts auszusetzen. Filippa Giordano wird aus Vergleichen mit Stars definiert. Aber hat sie das Zeug dazu, selbst ein Star zu sein?
Am Nachmittag in der Hotellobby ist Filippa vor allem eins: müde. „Jedes Hotel hat andere Kopfkissen, das macht mich ganz verrückt.“ Hat der Ruhm, die Tournee durch Amerika, Australien und Asien, wo sie große Erfolge feiert, denn auch andere unangenehme Seiten? Filippa setzt sich aufrecht hin, beugt sich vor: „Seitdem ich 13 Jahre alt war, wußte ich, dass ich Sängerin werden will. Ich habe elf Jahre an Türen geklopft, bis ich die richtige Person traf: Catarina Caselli, die auch Andrea Bocelli entdeckt hat. Als sie mich einlud, schwebte ich auf Wolken. Ich habe gebetet: Bitte, lieber Gott, bitte, bitte! Als sie mich anrief , dachte ich: Gott hat meine Kämpfe und mein Leid gesehen. Er will, dass ich weitermache … Die Tournee wird zwei Jahre dauern. Sie ist eine große honour, eine große Ehre“. Filippa hat Englisch gelernt, indem sie die Texte vonStevie Wonder und George Michael übersetzte, sie rollt das r, und wenn sie honour sagt klingt es wie horror … Unter diesen kleinen Macken, mit denen sie ebenso locker kokettiert wie mit ihrer Vorliebe für Essen, in Deutschland insbesondere Currywurst, ihrer Lebhaftigkeit und ihrer Aufmerksamkeit blitzt immer wieder der Ehrgeiz durch. Kein Zweifel: Filippa erreicht, was sie sich in den Kopf setzt. Wenn sie wollte, könnte sie akzentfrei Englisch sprechen, würde nur Salat essen oder Europameisterin im Schwergewicht werden. Aber Filippa Giordano will singen, sie will auf die Bühne, mit jeder Faser ihres Körpers. Wenn sie von Musik spricht, flirrt sie vor Energie, alle Müdigkeit fällt ab. Privatleben? „Das Team ist meine Familie.“ Und Männer? Möchte sie nichtvon ihrem Ruhm profitieren um Stars wie George Cloony oder Brat Pitt kennenzulernen? „Das wäre nicht schlecht, aber im Moment ziehe ich Leute vor, von denen ich lernen kann. Madonna zum Beispiel, das wäre toll. George Clooney und Brad Pitt möchte ich treffen, wenn ich mich entschließen sollte, Schauspielerin zu werden. Ich glaube, als echter Künstler muss man die Grenzen überschreiten, muss spielen, singen, malen können. Aber ich muss noch viel lernen.“ Singen, zum Beispiel, würde so manch einer sagen.
Teresa Schell