Fiona Grond: Liebes Poesiealbum, …
Die Schweizer Sängerin Fiona Grond hat ihr erstes Album für das Jazz-Label ACT aufgenommen – und ist selbst überrascht, wie sehr sie dabei Kuhglocken und Jodler inspiriert haben.
Fiona Grond im Interview zu „Poesias“
Fiona, wie findest du es, wenn ich dein Album als ein gesungenes Poesiealbum beschreibe?
Fiona Grond: Das könnte man schon so sagen. Die Stücke auf dem Album sind eine Sammlung verschiedener Gedanken und Gefühle, die mich über die letzten zwei Jahre begleitet haben. Ich habe mich etwa viel mit meinen Schweizer Wurzeln beschäftigt. Daher kommt auch die zweite, etwas verstecktere Bedeutung des Albumtitels: „Poesias“ ist Rätoromanisch für „Gedichte“. Es ist die vierte Landessprache der Schweiz und auch die Muttersprache meiner im letzten Jahr verstorbenen Grossmutter, der ich sehr nahegestanden habe.
Melancholie, Pathos, Weltschmerz: „Poesias“ ist Musik für einen Tag mit grauem Himmel und düsteren Gedanken. Gibt es Fiona Grond auch in heiter und fröhlich?
Grond: Wahrscheinlich habe ich ein Faible für Melancholie. Das äußert sich aber hauptsächlich in der Musik und weniger in meinem Alltag. Ich mag zwar düstere Filme, Literatur und Kunst, liebe aber vor allem das Schöne und das Unerwartete. Ich bemühe mich, bei dem ganzen Weltschmerz auch immer einen Schuss Positivität und Optimismus beizubehalten und glaube, dass man das Album auch ganz gut bei Sonnenschein geniessen kann.
Das Trio mit Gitarrist Philipp Schiepek und Tenor-Saxofonist Moritz Stahl klingt sehr organisch. Wer hatte bei der Produktion die Hosen an?
Grond: Wir kennen uns alle drei schon eine ganze Weile. Das ist toll, da man sich gegenseitig komplett vertraut und beim kreativen Prozess ganz ohne Filter arbeiten kann. Die meisten Stücke sind von mir geschrieben, ein paar von Philipp. Wir probieren viel aus, arbeiten daran, bis es passt. Bei diesem Album ist es besonders spannend gewesen, weil wir Andreas Brandis als Produzenten dabei gehabt haben. Das Repertoire für das Album haben wir in vielen Gesprächen entwickelt, die oft auch über die Musik hinausgegangen sind. Im Studio ist er dann erst nach ungefähr der Hälfte der Zeit dazugekommen, zu einem Zeitpunkt, als wir alles schon eingespielt hatten. Er hat sich alles angehört, und dann ist die Arbeit erst richtig losgegangen: Wir haben uns jedes Stück nochmal neu vorgenommen.
Viele deiner skandinavischen Kollegen berufen sich gern auf volksmusikalische Wurzeln. Gibt es so etwas auch, wenn man wie du aus der Schweiz kommt?
Grond: Ich glaube, Schweizer Volksmusik wird – ähnlich wie die deutsche – gern belächelt. Es mag komisch klingen, aber seit ich nicht mehr in der Schweiz lebe, habe ich viele Schweizer Bräuche und kulturelle Eigenheiten schätzen gelernt, die davor vielleicht zu selbstverständlich gewesen sind. Ich musste mich erst von der Schweiz entfernen, um ihr wieder nahe zu kommen. Für das Album habe ich mich dann intensiver mit Schweizer Liedgut beschäftigt. So habe ich das rätoromanische Volkslied „Allas Steilas“ entdeckt. Ausserdem war ich auf einem Almabtrieb in den Schweizer Bergen und habe dort verschiedene Geräuschkulissen aufgenommen. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ich vor allem Naturgeräusche, Kuhglocken und die Schreie der Treiber aufnehmen werde. Was mich aber am meisten fasziniert und berührt hat, waren die Volkslieder und die Jodler, die dort gesungen werden.