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Fotograf Tobias Zielony im Interview

Tobias Zielony
Tobias Zielony, Make Up, 2017, aus der Serie Maskirovka, Inkjet-Print, 70 x 105 cm, Courtesy KOW, Berlin ((c) Tobias Zielony)

Junge Menschen in ihrem sozialen Umfeld: Dafür reist Fotograf und Videokünstler Tobias Zielony quer durch die Welt. Nun gerät sein eigenes Leben in den Fokus.

Tobias Zielony, Sie porträtieren Menschen und Subkulturen, die auf viele Leute unzugänglich wirken. Was machen Sie anders, um Nähe zu den Gruppen zu finden und Vertrauen aufzubauen?

Tobias Zielony: Komischerweise habe ich nie gedacht, dass die Menschen auf meinen Bildern unzugänglich wirken. Ich habe, glaube ich, schon früh gelernt, noch bevor ich angefangen habe zu fotografieren, mit ganz unterschiedlichen Leuten klarzukommen und sie respektvoll zu behandeln.

In den letzten 20 Jahren ist die Omnipräsenz von Kameras und die Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit Alltag geworden. Reagieren Menschen heute gelassener, wenn Sie sie fotografieren wollen?

Zielony: Auf der einen Seite ist das Fotografiertwerden für uns alle normaler geworden. Wir denken die Bilder von uns und anderen mit. Andererseits macht das den Prozess auch banaler und weniger magisch.

Welche Rolle spielt eigentlich Empathie bei der Annäherung an Ihre Protagonist*innen? Und welche Grenzen spüren Sie dabei?

Zielony: Wahrscheinlich verstehen wir alle etwas anderes unter Empathie. Ich denke, dass es Momente gibt, in denen die klare Trennung zwischen den einzelnen Menschen sich vorübergehend auflösen können. Das ist für mich Empathie.

Ein zentrales Motiv Ihrer Bildserien ist das Herumhängen von Jugendlichen, das immer auch etwas von einem Zwischenzustand hat. Was genau fasziniert Sie daran?

Zielony: Ich mag Zustände, die sich klaren Erklärungs- und Bedeutungsmustern entziehen. Die durch ihre Unklarheit und Weigerung, Sinn oder Mehrwert zu zeugen, etwas Widerständigkeit behalten.

Alltag und Privatleben bekommen durch das Teilen im Internet eine große Öffentlichkeit. Was können Betrachter*innen auf Ihren Fotografien sehen, was sie auf Social-Media-Bildern nicht finden?

Zielony: Früher hätte ich gesagt, in meiner Arbeit geht es um das, was jenseits der großen Erzählungen von Wohlstand, Arbeit oder Familie passiert. Heute sind es vielleicht eher die Fäden, die ich zwischen den Bildern ziehe, die etwas anderes bedeuten als die wiederkehrenden Einzelbilder in den sozialen Netzwerken. Also geht es vielleicht doch ums Erzählen und um Erzählungen.

In Serien wie „Curfew, Bristol, Newport“ (2001) oder „Tankstelle“ (2004) haben Sie Jugendliche während einer nächtlichen Ausgangssperre und an vermeintlich trostlosen Orten fotografiert, die zum Mittelpunkt lebendigen Austausches wurden. Heute spielen sich ähnliche Szenen aus einem ganz anderen Grund ab. Wie nehmen Sie diese Begegnungen heute wahr, und was hat sich verändert?

Zielony: In meiner Serie „Curfew“ ging es tatsächlich um straffällig gewordene junge Männer in Bristol und Newport, die von der Polizei in einem Pilotprojekt unter eine nächtliche Ausgangssperre gestellt wurden. Heute ist die Situation eine ganz andere. Auch wenn Ausgangssperren schon immer ein Instrument von staatlicher Kontrolle und Unterdrückung waren, finde ich die jetzigen Coronamaßnahmen insgesamt sinnvoll.

Was reizt Sie momentan am meisten? Welche Menschen und Orte nehmen Sie als nächstes in den Blick?

Zielony: In Zeiten der Pandemie habe ich weniger fotografiert, war nicht einmal im Ausland. Aber in der Ausstellung in Essen verbinde ich in einer neuen Arbeit Bilder der letzten Monate mit unveröffentlichten Bildern der letzten Jahre, zum Beispiel aus Japan und Korea. Alles wird wie an einer Art Plakatwand montiert, sich zum Teil überlappend. Eine unfertige, offene Erzählung, die viel mit meinem Leben zu tun hat.

Interview: Janka Burtzlaff

„Tobias Zielony. The Fall“ läuft noch bis zum 26. September im Museum Folkwang in Essen. Alle weiteren Infos zur Ausstellung gibt es auf der Website des Museum Folkwang.

Tobias Zielony
Foto: (c) Museum Folkwang

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