Gary Kemp: Die Reise ins Ich
Als Kopf von Spandau Ballett hatte er in den 80ern Welthits wie „True“ und „Gold“. Jetzt mit 61 denkt Gary Kemp auch mal an sich selbst und veröffentlicht „In Solo“.
Gary Kemp, solche üppig instrumentierten und opulent produzierten Alben wie „In Solo“ sind im Jahr 2021 eine absolute Rarität. Die Songs sind lang und detailliert, du hast in teuren Londoner Studios aufgenommen, und sogar Roger Taylor von Queen ist auf einem Song mit dabei. Auf Spotify wird die Platte wohl eher kein Erfolg, oder?
Gary Kemp: Spotify geht noch, aber bei TikTok bin ich raus. Du kannst diese Lieder nicht tanzen, ich komme nicht schon nach einigen Sekunden zum Refrain, und überhaupt habe ich die zwölf Songs sehr liebevoll in zwei Akte unterteilt. Ich bin 61, Herrgott. (lacht)
Deine Söhne sind 16, 12 und 9 Jahre alt. Wissen die noch, was eine Schallplatte ist?
Kemp: Aber hallo. Sie wissen sogar, wie man einen Plattenspieler bedient. Ich stelle erfreut fest, dass die Musik, die ich als junger Mensch gehört habe, nach wie vor bei uns zuhause mehrheitsfähig ist. Zu Konzerten der Rolling Stones kommen alle gerne mit. Und wirkt Mick auf der Bühne nicht sowieso wie 24?
Du erzählst in „Waiting for the Band“, wie du 1973 im Londoner Hammersmith Odeon sehnsüchtig vor der Bühne auf David Bowie gewartet hast.
Kemp: Bowie hatte einen prägenden Einfluss auf mich als Teenager. Ich war verrückt nach ihm. Noch heute fühle ich mich plötzlich wieder wie 13, wenn ich David Bowie höre.
Du spielst auch viel Theater im Londoner West End. Wieso hast du überhaupt jetzt ein Soloalbum gemacht?
Kemp: Ich bin 2018, 2019 als Gitarrist mit Nick Mason’s Saucerful Of Secrets getourt. Da wurde ich unvermittelt mit einem ganz anderen Publikum konfrontiert. Zu Spandau Ballett sind in erster Linie Frauen gekommen, weshalb wir immer etwas verniedlicht und nicht ernst genommen wurden – was sexistisch ist. Und dann: mittelalte Typen wie ich. Irgendwie hat mich das befreit und ich habe den Entschluss gefasst, Songs nur für mich selbst zu schreiben – aus meiner Sicht, mit meiner Stimme und ohne das schwere Gepäck von Spandau.
Mit Spandau Ballett, deren primärer Songschreiber du gewesen bist, hattet ihr in den frühen 80ern Monsterhits wie „True“ und „Gold“.
Kemp: Wir hatten damals einen guten Riecher, als wir uns für diesen Blue-eyed-Soul-Sound entschieden haben. „True“ hat unser Leben verändert. Aber ich bin 61, und ich will Musik machen, die für mich in meinem jetzigen Leben einen Wert hat.
Also kein Spandau-Comeback? Es heißt ja, vor allem mit Sänger Tony Hadley würdest du dich überhaupt nicht verstehen.
Kemp: Als Band unterwegs zu sein, kann sehr stressig werden. Es ist nicht gut, wenn du aufpasst, in welches Auto du steigst, damit du nicht bei den falschen Leuten sitzt. Ich möchte nur noch mit Menschen zusammen auf der Bühne stehen, die ich auch zu mir nach Hause zum Abendessen einladen würde.