Gerhard Henschel: Bildungsroman
Martin Schlosser ist zurück! Wir schreiben das Jahr 1983, in Bonn hat Helmut Kohl die Macht übernommen, und in Bielefeld muss Martin sich entscheiden, Mitgründer eines alternativen Kinos zu werden oder Germanistik zu studieren. Derweil zieht ihn Freundin Heike immer häufiger in die damals gleichermaßen berüchtigten wie von Männern gefürchteten Beziehungsgespräche. Dabei hat der 21-Jährige doch seine eigenen Probleme: Beim Besuch eines Eisenstein-Films schließt er sein Fahrrad gedankenlos an ein Rollgitter. Einmal eingerollt und wieder ausgespuckt, ist es ein Haufen Schrott, als er anderntags sein Rad wiederkriegt und Schlosser sich fragt, ob er Rad samt Rollgitter der Dokumenta als Kunstwerk zur Verfügung stellen soll.
„Bildungsroman“ ist Teil fünf der von Gerhard Henschel groß angelegten literarischen Biografie. Wie schon in den ersten vier Romanen trifft Henschel den Ton der Zeit perfekt. Sein bewusster Verzicht auf Dramaturgie lässt die Romanlektüre zu einer süchtig machenden Meditation werden: Man versinkt in der vergangenen Zeit. Hat man sie selbst damals erlebt – umso besser!
Langweilig wird es eh nie, denn Henschel, der von der Satire kommt, arbeitet perfekt mit Situationskomik, in den allermeisten Fällen auf Kosten seines Alter Egos Martin. Die Romane Gerhard Henschels sind ein Meisterwerk der Verschmelzung von Zeitgeist, Komik und Dokumentation. Zumindest alle in den 1960er-Jahren Geborenen sollten sie unbedingt lesen.