Gorillaz-Album „Cracker Island“: Ey Mann, wo is’ dein Auto?
Auch Gorillaz-Chef Damon Albarn kann seinen Horizont mit Mitte 50 noch erweitern – natürlich in L.A.
Traditionell hat der musikalische Kopf der virtuellen Hipsterband Gorillaz dem kalifornischen Metropolenmoloch Los Angeles nie etwas abgewinnen können. Klar, aus beruflichen Gründen musste Damon Albarn immer mal wieder hin, der Widerwille war jedoch stets beträchtlich. „Ich habe die Stadt immer sehr herzlich gehasst, aber da war ich zuvorderst selbst dran schuld“, sagt er. Albarn, der im März auch schon 55 wird und seit drei Jahrzehnten seine kreativen Säfte in alle möglichen Bands und Projekte wie natürlich Blur, The Good, The Bad & The Queen und immer wieder auch Soloalben strömen lässt, hat sich nämlich immer rund um den Sunset Boulevard in West Hollywood einquartiert – einer Touristengegend, die ihre beste, weil zügelloseste Zeit in den 70ern und 80ern gehabt hat. „Autofahren konnte ich nicht, also habe ich da rumgehockt und alles sterbenslangweilig gefunden.“
Nun jedoch ist die Liebe des Engländers, der seit 2020 ebenfalls die Staatsbürgerschaft seiner Herzensheimat Island besitzt, zu LA so heftig und unerwartbar erblüht wie eine Teenagerromanze. Ende 2021 war er gleich für mehrere Monate dort, um an einem Animationsprojekt rund um die Gorillaz für Netflix zu arbeiten, aus dem nun allerdings nichts wird. Doch um die Zeit optimal zu nutzen, hat er sich zwei Wochen lang fast täglich mit dem Superproduzenten Greg Kurstin (Adele, Foo Fighters) getroffen – in dessen Studio im lässigen Bohème-Viertel Silverlake. „Dort gibt es coole Restaurants, coole Läden und Leute. Es ist eine vollkommen neue Welt für mich gewesen.“
Die beiden Profis haben effektiv und flott gearbeitet. Albarn ist mit einer großen Palette an für Gorillaz-Verhältnisse vorwiegend verträumten, melodischen und ein bisschen wehmütigen Liedern ins Studio – offenbar wirkt sein minimalistisches Soloalbum „The nearer the Fountain more pure the Stream flows“ hier noch nach. Und eine handvoll Knallergäste wie Bassist Thundercat, Beck, Fleetwood-Mac-Ikone Stevie Nicks und Latin-Topstar Bad Bunny waren auch schnell am Start. So markiert das melodische wie stimmungsvolle Werk einen starken Auftakt zu einem echten Albarn-Festspieljahr, in dessen Verlauf er mit Blur im Londoner Wembley-Stadion und mit den Gorillaz beim Coachella-Festival auftrumpfen wird. „Und ich habe es sogar geschafft, in Los Angeles endlich meinen Führerschein zu machen“, sagt Damon lächelnd. Schließlich gibt es nicht nur in L.A. noch so einige Ecken zu entdecken.