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„Grand Budapest Hotel“ bei Arte: Wes Anderson in Höchstform

„Grand Budapest Hotel“ läuft bei Arte und in der Arte-Mediathek.
Monsieur Gustave (Ralph Fiennes, re.) begleitet die Witwe Madame D. (Tilda Swinton, 2.v.r.) im Aufzug mit dem Lobby-Boy Zero (Tony Revolori, 2.v.l.) und dem Elevator-Boy Igor (Paul Schlase, li.). (© 2014 Twentieth Century Fox Film Corporation Foto: ARTE F)

Diese verrückte Mischung aus Cartoon, Märchen, altem Bildband, Wiener Gebäck und ganz vielen Stars muss man einfach sehen!

Heute bei Arte: „Grand Budapest Hotel“ von Wes Anderson. Irgendwann zwischen den beiden Weltkriegen, irgendwo in einem fiktiven Osteuropa, das halb Österreich-Ungarn, halb Märchenlandschaft ist. Monsieur Gustave H. (Ralph Fiennes) ist der beste Concierge, den das altehrwürdige Grand Budapest Hotel in den Bergen der Republik Zubrowskaje je hatte, und er erfüllt seine Pflichten mit Perfektion und einem Patriotismus gleichenden Ehrgefühl. Der stets von einer Parfümwolke umschwebte Charmeur mit dem Menjou-Bärtchen und dem sanft ausgeworfenen „Darling“ pflegt vielerlei Liebschaften mit greisen weiblichen Gästen. Als seine Lieblingsmätresse Madame D. (Tilda Swinton) ermordet wird, erbt Gustave das wertvolle Gemälde „Junge mit Apfel“ – und zieht sich den Zorn von Madame D.’s Sohn Dmitri Desgoffe-und-Taxis (Adrien Brody) zu. Gustave wird zu Unrecht für den Mord verurteilt, doch mithilfe seines treuen Lobby Boys Zero Moustafa (Tony Revolori) gelingt im bald die Flucht, irgendwo zwischen den Orten Nebelsbad und Baden-Jürgen …

Wes Anderson, der in seinen Filmen („Die Royal Tenenbaums“, „Moonrise Kingdom“) einen liebevollen Eskapismus pflegt und soziale Parallelwelten kreiert, die von Außenseitern und Fantasten bevölkert sind, geht mit „Grand Budapest Hotel“ noch einen Schritt weiter. Er entwirft gleich ein ganzes Fantasieland, das mal einem Stummfilm, mal einem Comic gleicht, und in dem alles möglich ist und nichts begründet werden muss, weil alles auch nicht mehr will, als Oberfläche sein. Anderson schwelgt in europäischen Adels- und Städtenamen und dem Übermut seiner cartoonesk chargierenden Darsteller, die in kunterbunten Szenen tolldreisten Unfug treiben. Das ist ein bisschen so, als hätte er den Weltschmerz von Stefan Zweig (der im Abspann als Inspiration genannt wird) oder Josephs Roth „Radetzkymarsch“, diesen wehmütigen Totengesang auf das Habsburger Reich, verfilmt – aber mit den Marx Brothers in den Hauptrollen. Der Film macht auf charmante Weise, was er will, ist völlig frei in Form und Farbe, Haltung und Gattung: Bei einer Verfolgungsjagd zu Ski und Schlitten ersetzen Knetmassefiguren die Schauspieler. Später sehen diese aus wie die Männlein in einer Popup-Grußkarte, hernach wähnt man sich in einer bonbonfarbenen Wiener Meisterkonditorei.

Die wirre und irre Handlung changiert zwischen Szenen, die so flach und zweidimensional wirken wie ein Scherenschnittfilm, und hallengroßen Hotellobbys, kilometerlangen Schlossgängen und düsteren Fachwerkhausgassen, die die Kamera in ihrer ganze Tiefe einfängt, als lote sie den Meeresboden aus. Wem das alles zuviel ist, der spielt einfach „Finde den Filmpromi“, denn Anderson hat alle seine Lieblingsdarsteller zusammengetrommelt: Bill Murray, Owen Wilson, Jeff Goldblum, Edward Norton, Willem Dafoe, Jude Law, F. Murray Abraham, Jason Schwartzman, Harvey Keitel, Mathieu Amalric, Léa Seydoux und sogar Florian Lukas (Anderson hat auch in Görlitz gedreht) hüpfen munter durch dieses eye candy aus dem Arthouse. „Grand Budapest Hotel“ bewegt sich durch die moderne Filmwelt rückwärtsgewandt, aber mit um 180 Grad gedrehtem Kopf und in dem Bewusstsein, ein heilloser Anachronismus zu sein. Und nichts bedeutet hier wirklich nichts – nichts war aber seit langem so kurzweilig.

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