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Guildo Horn

Guildo Horn hat keine Fans, er hat Jünger. Er hat keine Band, die „Orthopädischen Strümpfe“ sind seine Schützlinge, und er ist ihr Herbergsvater. Er hat keinen Geschmack, er trägt Siebziger-Jahre-Klamotten in den übelsten Farben. Und doch: Wenn Guildo anläßlich eines Konzertes den Oberkörper freimacht und sich schwabbelbäuchig, behaart und verschwitzt in die Menge wirft, geht keine Raunen des Ekels, sondern starres Entzücken durch die Reihen. Wie macht der das? Wir erhielten eine Privataudienz beim Meister.

Kultur!News: Dein Publikum ist nicht die klassische Zielgruppe, sondern es sind junge Leute, die Schlager normalerweise Iih-bäh finden würden. Wie kam dieser Generationswechsel zustande?

Guildo Horn: Vielleicht entdecken die Leute einfach die Schönheit des Ganzen, vielleicht ist einfach die Zeit wieder reif dafür, als ein Gegenstück zu dem Kalten, Industriellen, was man sonst vorgesetzt bekommt, mehr auf Gefühl. Aber da ist auch Rebellenfaktor: Man hat sich vom Schlager abgewandt, weil die Eltern Schlager gehört haben und ist zum Hardrock oder Punk gegangen, heutzutage haben die 68er Kinder, der Papa sitzt zu Haus, hört Rolling Stones, und wie kannst du den Papa am besten ärgern? Du hörst halt Schlager. Als Zielgruppe habe ich aber einfach nur Menschen. Alle dürfen kommen.

K!N: Du hast oft genug gesagt, daß du den Schlager nicht veralberst, sondern feierst. Aber galtest du den „echten“ Schlagersängern nicht anfangs als Nestbeschmutzer?

Guildo Horn: Den Schlagerstars wird immer viel nachgesagt. Aber sie sind nicht dumm, es sind alles gute Musiker, und die Fragen nach Verarsche kommt da gar nicht erst auf. Denn wer uns einmal live gesehen und mitbekommen hat, mit welcher Inbrunst da der Schlager zelebriert wird, würde nie auf so eine Idee kommen.

K!N: Aber Schlager ist nicht gleich Schlager, da gibt es doch ein paar originelle Stücke und sehr viel Plastikmüll …

Guildo Horn: Mein Herz würde nicht für Andy Holms „Fischer von San Juan“ schlagern. Das ist nicht mein Ansatz, mein Ansatz ist Schlager in Richtung Soul. Ich habe aber auch Respekt vor schlechten Schlagern. ich weiß, was für Arbeit da drin steckt, so eine Nummer aufzunehmen, und dann liegt es mir als Person fern, so etwas zu zerreißen. Dem einen gefällt‘s, dem anderen nicht. Jeder soll die Freiheit haben, das gut finden zu dürfen, was ihm gefällt.

K!N: Als ihr euch auf die großen Bühnen trautet, hat ja niemand geglaubt, daßihr das wirklich ernst meint. Ihr galtet lange als rücksichtslose Trash-Komiker…

Guildo Horn: Mit Dieter Thomas Kuhn etwa verbindet mich überhaupt nichts, ganz einfach, weil ich Schlagermusik wirklich mag. ich lege auch großen Wert auf Musikalität, für mich ist das keine Gegenbewegung zum traditionellen Schlager, sondern ich suche seine Nähe. Ich will den nicht verarschen, sondern ich liebe den bis in die Poren. ich mache Schlagermusik nicht, weil das etwas ist, mit dem sich Geld verdienen läßt, sondern weil ich‘s mag.

K!N: Du hast es geschafft, in die nationale Vorentscheidung zum Grand Prix Eurovision zu kommen. Ist es deine Mission, den deutschen Schlager in die Welt zu tragen?

Guildo Horn: Wir haben uns jedesmal beworben, und waren bis jetzt noch nie in die Vorauswahl gekommen, weil viele Plätze von vornherein vergeben sind. In der Kommission sitzen ein paar Bleiköpfe wie Ralph Siegel und Hanne Haller, und daran kommst du nicht vorbei. Die haben natürlich was für den deutschen Schlager geleistet, aber jetzt sollen sie mal andere ranlassen. Wir sind wenigstens eine richtige Band. Aber was da sonst an Plastikprodukten rumläuft, die extra für den Grand Prix aus dem Boden gestampft worden sind – die haben kein Standing, die haben kein Publikum, die haben nix! Das kann mal funktionieren wie bei Dschingis Khan, das kann aber auch super in die Hose gehen wie bei Leon, dem singenden Friseur.

Interview: Rolf von der Reith

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