Gwyneth Paltrow
Schauspielerin Gwyneth Paltrow tut, was ihrer Filmfigur Sylvia nicht gelingt: Sie genießt ihr Leben. Ein Interview über Parmesan und Lebensfreude.
_ulysses: Gwyneth, Sie sind wie viele amerikanische Schauspieler nach Europa ausgewandert und wohnen jetzt in London. Warum?
Gwyneth Paltrow: In Europa leben die Menschen mehr. Sie nehmen sich Zeit für einander, für lange Spaziergänge, für lange Dinnerpartys mit ihren Freunden. Sie treffen sich spontan auf einen Drink. Es ist einfach ein ganz anderer Lifestyle, und ich genieße ihn besonders, weil keiner meiner Freunde in London im Showbusiness ist und es keinen wirklich interessiert, was ich tue. Sie respektieren mich als Person, nicht als Kunstfigur und nicht mehr oder weniger als ihren Freund, der Architekt ist. Ich habe nach wie vor ein Apartment in New York, aber London ist so ein netter, zivilisierter Ort zum Leben.
_ulysses: Was machen Sie in London, wenn Sie nicht drehen?
Paltrow: Ich zische auf meinem Moped durch die Straßen, gehe in Museen, spaziere durch den Hyde Park und besuche Theatervorstellungen. Ich bin hier viel kultureller unterwegs als in New York, denn hier gibt es viel mehr Auswahl an Dingen, die man nicht missen möchte. Ich liebe die typischen Wochenenden, wo man die Times im Bett liest und dann zu Freunden zum Lunch geht. Ich kann wirklich nichts Negatives über London sagen, es ist viel sauberer als die amerikanischen Städte. Manchmal regnet es zuviel, aber das ist auch schon das Einzige.
_ulysses: Ihr Film „Sylvia“ kommt jetzt in die Kinos. Wie sind Sie an die schwierige Rolle der depressiven Schriftstellerin Sylvia Plath herangegangen?
Paltrow: Es war nicht leicht. Ich musste mich an einen sehr düsteren Ort in meinem Inneren begeben, um die Rolle wirklich zu verstehen. Und am Abend, wenn wir zu drehen aufhörten, war es unmöglich, diese Gefühle einfach abzustellen. Ich war die gesamten Dreharbeiten hindurch in Sylvias Kopf und davon überzeugt, dass ich bei diesem Film gar keine andere Wahl hatte. Ich dachte, ich muss so offen und verwundbar wie möglich sein. So gesehen war es wohl für niemanden sehr lustig, sich in dieser Zeit mit mir abzugeben! (lacht)
_ulysses: Lesen Sie Gedichte?
Paltrow: Ja, schon als Kind und in der Schule. Ich hatte Glück, einen guten Lehrer zu haben, der mir Poesie nahe brachte, so dass ich sie nicht nur zu verstehen, sondern auch zu schätzen lernte. Ein gutes Gedicht kann dir trotz seiner Kürze total den Sinn des Lebens klar machen. Es war sehr wichtig, dass ich mich so stark auf die Gedichte verlassen musste, um Sylvia Plaths Gedankengänge und Emotionen zu verstehen.
_ulysses: Wie haben Sie den plötzlichen Tod Ihres Vaters vor zwei Jahren überwunden?
Paltrow: Lange Zeit war ich auf einer strikten makrobiotischen Diät, und als er starb, ging ich durch eine Phase von drei Monaten, in denen ich rauchte wie ein Schlot, ununterbrochen Kaffee trank und alles aß, was ich nicht essen sollte. Jetzt versuche ich zwar wieder den makrobiotischen Prinzipien zu folgen und vor allem Nahrungsmittel zu mir zu nehmen, die so biologisch wie möglich sind. Aber seit dem Tod meines Vaters hat sich meine Perspektive völlig verändert. Wenn ich jetzt Lust auf Parmesan habe – meinen absoluten Lieblingskäse –, dann esse ich ihn. Wenn ich Eiscreme will, dann esse ich sie. Ich bin nicht mehr bereit, mein Leben nach so strikten Regeln zu leben und mir Dinge zu versagen. Heute habe ich eine viel mediterranere Einstellung dazu. (lacht)
_ulysses: Haben Sie eine Schwäche?
Paltrow: Außer für Parmesan? Ja, für Schmuck. Eine schreckliche Schwäche, aber ich kann sie nicht ausleben, denn sie geht nicht Hand in Hand mit meiner neuen Arbeitsphilosophie: mehr Filme zu machen, die Integrität haben, auch wenn ich dafür nur wenig oder nichts bezahlt bekomme. Ich kann mir also Juwelen leider nicht mehr leisten. Ich wäre wohl total bankrott, wenn ich meiner Sucht nach Antikschmuck nachgeben würde.
Interview: Elisabeth Sereda