Harald Schmidt
Ein Mann spaltet die Nation: die einen lieben ihn samt seiner fiesen Schmuddelwitze und verbalen Gemeinheiten. Für die anderen ist er schlicht eine Zumutung. Eines ist klar: Spätredner Harald Schmidt ist ein Profi, der genau weiß, was er tut und warum. So einer darf in einer Mediensatire von Helmut Dietl nicht fehlen. Als schmierig fieser Programmchef geht Schmidt in „Late Show“ (seit 25. 2. im Kino) für sich und gute Quoten über Leichen. Trotz PR-Streß und einer täglichen Sendung im Nacken stand „Dirty Harry“ uns ganz entspannt Rede und Antwort.
KULTUR!NEWS: Herr Schmidt, in einem Satz: Was ist „Late-Show“?
Harald Schmidt: Es ist eine ziemlich präzise und verdichtete, über weite Strecken satirisch überhöhte Beschreibung, wie das im Fernsehen funktioniert. Ich glaube, daß es auch übertragbar ist auf Banken, Zeitungen, Versicherungen … Es geht einfach um Macht, Intrigen, Ego und verletzte Eitelkeiten. Jeder glaubt, er weiß, was er tut. Jeder glaubt auch, daß er mehr weiß als der andere. Ich denke übrigens, daß Politik immer mehr so funktioniert.
K!N: Im Film lassen Sie sich von Ihrer Mitarbeiterin Jasmin Tabatabai die Stiefel lecken. Wie nah kommt das der Realität?
Schmidt: Das ist so ein klassisches Bild. Ich selber habe diese Fantasien überhaupt nicht. Nicht, daß ich nicht an Machtspielchen interessiert wäre …
K!N: … wie sehen die aus?
Schmidt: Mir gefällt es, wenn die Leute rausgehen und glauben, sie hätten jetzt einen Riesendeal gemacht, aber eigentlich hab‘ ich den größeren Deal gemacht (lacht).
K!N: Passiert das oft?
Schmidt: Hin und wieder. Ich bin nicht in der Situation, daß es oft passieren muß, weil ich in meiner Truppe eine sehr gute Arbeitsatmosphäre habe. Es gibt da keine Hierarchie und nichts.
K!N: Sie sind ausgebildeter Schauspieler. Warum drehen Sie nicht mehr Filme?
Schmidt: Erstmal habe ich keine Zeit, zweitens kenne ich meine schauspielerischen Fähigkeiten. Ich bin nicht so verbohrt zu sagen, das kann ich auch noch. Und es ist mir auch zu anstrengend.
K!N: Haben sich Ihre Wertmaßstäbe durch das Medium Fernsehen verändert?
Schmidt: Ja. Nicht meine privaten Maßstäbe, die sind eigentlich ganz klar: quadratisch, praktisch, gut. Völlig konventionell, eher konservativ. Aber wenn ich zum Beispiel jemanden in die Sendung einlade, zählt für mich sein Erfolg. Ob ich das selber gut finde oder nicht, ist egal. Früher habe ich das immer noch beurteilt, heute sehe ich es eigentlich nur noch unter dem Gesichtspunkt der kollegialen Verwertbarkeit.
K!N: Hatten Sie keine Angst, daß Ihnen Thomas Gottschalk die Show stiehlt?
Schmidt: Das tut er ja seit 50 Jahren – nee, ehrlich, die Angst hatte ich überhaupt nicht. Man muß mit Leuten zusammenarbeiten, die an der Spitze stehen. Nur wenn das Umfeld eigentlich besser ist, kommt man gut raus.
K!N: Haben Sie Feinde?
Schmidt: Glaube ich schon. Ich glaube, daß unglaublich viele Leute darauf warten, daß ich mal so richtig auf die Fresse falle.
K!N: Wollten Sie, wie im Film, schon mal alles hinschmeißen?
Schmidt: Ja, aber nicht aus Verzweiflung, sondern aus Berauschung an mir selbst …
Interview: Bärbel Pfannerer