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Hart aber herzlich: Beth Hart umarmt ihr Publikum

Beth Hart
Beth Hart (Foto: Roxanne de Roode)

Mittlerweile fühlt sich Beth Hart wohl auf deutschen Bühnen. Das war nicht immer so. Im Spätherbst kommt die kalifornische Rocksängerin in sechs deutsche Städte.

Album, Tour, Album, Tour: Business as usual für die Meisten im Rockgeschäft. Der Job eben – Songs schreiben, aufnehmen, abliefern, Koffer packen, raus auf die Bühne. Für Beth Hart ist zumindest der letzte Teil des Jobs in den zurückliegenden Jahren immer wieder zu einer Zitterpartie geworden, die Liste der Konzertabsagen in den Nach-Corona-Jahren ist lang – egal, wie wild entschlossen die Sängerin jedes Mal gewesen ist, ihre Fans nicht zu enttäuschen.

Für den November 2024 sind sechs Tourtermine in Deutschland gebucht – ein Land, das die Frau mit der großen Stimme und der großen Seele als junge Künstlerin gar nicht so mochte. „Am Anfang meiner Karriere war ich nicht so gern in Deutschland“, sagt Beth Hart. Mitte der 90er Jahre war das, erinnert sie sich: „Der Mauerfall lag noch nicht so lange zurück, man sah den Gebäuden noch die düstere Vergangenheit an, und die Stimmung war gedrückt.“ Ein Spiegel ihrer eigenen Emotionen? „Ja, so in etwa ist es mir wohl damals selbst auch gegangen.“

Beth und ihre Band haben zu der Zeit als Opener für die Scorpions gespielt. „Eine lange Tour, auf der dir keiner in die Augen geschaut und Hallo gesagt hat.“ Mit den Jahren sei das besser geworden, die US-Amerikanerin hat beobachtet, dass alles farbenfroher geworden ist, die Menschen ihr zunehmend freundlich begegnet sind. „Mittlerweile zählen Deutschland, Dänemark und Holland auf Tour zu meinen Lieblingsländern“, sagt Beth Hart heute. Das mag auch daran liegen, dass sie sich nicht mehr so sehr schindet und versucht, dem Tourstress möglichst konsequent aus dem Weg zu gehen. Ihr Mann Scott, der sie auf Tour immer begleitet, passe darauf auf, dass sie sich schone, hat die Sängerin der kulturnews während eines Interviews vor knapp zwei Jahren gesagt. Ob die Taktung der für diesen Spätherbst geplanten Termine mit meist nur einem Pausentag zwischen den Konzerten dem entgegenkommt, wird sich zeigen.

Die deutschen Fans, die darauf hoffen, sie in Mannheim, Köln, Hannover, Berlin, Hamburg und Nürnberg zu sehen, kategorisiert die Amerikanerin wie viele ihrer US-Künstlerkollegen: „Ich habe herausgefunden, dass es Orte in Deutschland gibt, wo die Menschen sehr konzentriert zuhören – sie sind ein wenig reservierter, was nicht heißt, dass sie meine Show nicht mögen.“ Aber Deutsche können auch ziemlich wild sein, sagt Beth – und das sind ihr die liebsten: „Das ist gut für uns, weil dann jede Menge Energie zwischen uns und den Fans hin- und herfliegt wie ein Pingpongball.“

„Ich mag es auch sehr, ins Publikum zu gehen und die Leute zu umarmen.“

Ein Mensch wie Beth Hart braucht wohl auch viel Energie, um sich immer wieder auf die Bühne zu pushen. Dort, sagt sie, fühlt sie sich eigentlich am wohlsten, wenn sie allein am Piano sitzt oder im Akustikset mit der Band ganz dicht bei den Fans ist. „Kommt ganz auf meine Stimmung an“, schränkt sie ein und fügt hinzu: „Ich mag es auch sehr, ins Publikum zu gehen und die Leute zu umarmen.“

Was Beth Hart mit allen Rock-Acts gemeinsam hat, ist die Erkenntnis, dass es insbesondere auf Open-Air-Bühnen überlebenswichtig ist, die Energie auf einem hohen Level zu halten: also jede Menge Bewegung, gemeinsames Singen mit den Fans, das volle Powerprogramm eben. In Hallen sei das anders, ganz besonders, wenn es bestuhlte Theater seien, die Beth Hart in jungen Jahren gar nicht mochte: „Diese Stille dort hat mich am Anfang ganz irre gemacht“, erinnert sich die inzwischen 52-jährige Kalifornierin. Erst, als sie mit Joe Bonamassa gearbeitet hat, habe der ihr gesagt, dass er sogar am liebsten in bestuhlten Hallen spiele: „Warum? Weil du da eben nicht die ganze Zeit mit hoher Energie arbeiten musst, es auch mal langsamer angehen lassen und ein paar Dinge ausprobieren kannst – und weil die Leute von Anfang bis Ende voll konzentriert dabei sind.“

Beth Hart: Touren als Therapie

Wer Beth Hart live erlebt, sollte darauf gefasst sein, dass sie mitten in der Show am Klavier in Tränen ausbricht. Diese Frau ist eben nun mal keine Showmaschine, sondern lässt ihr Publikum von der ersten bis zur letzten Minute völlig ungefiltert miterleben, was gerade in ihr vorgeht. Eine professionelle Distanz zwischen Privatperson und Bühnenfigur kennt jemand wie Beth Hart nicht: „Das geht so weit, dass ich sage: ,Leute, mir geht’s gerade nicht gut, und ich brauche eure Hilfe‘.“ Die bekommt sie dann zumeist auch in großen Dosen aus dem Publikum zurückgespielt: „Ich merke, dass die Leute mit mir fühlen, dass sie mich unterstützen wollen. Dann geht’s mir auch gleich besser.“

Wenn Beth Hart im November nach Deutschland kommt, bringt sie auch ein neues Album mit. Die Single „Little Heartbreak Girl“ gibt’s vorher schon als Appetizer. Eine durchaus radiotaugliche Ballade ist das, die im Stil von „Knockin’ on Heaven’s Door“ im Mix mit „Let it be“ ganz unprätentiös ein- und aussteigt und dazwischen in einfachen Worten viel von dem erzählt, was die Person Beth Hart ausmacht: Schmerz, Einsamkeit, die Welt ist schlecht – aber am Ende erobert man sie eben doch für sich.

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