Helge Schneider
Wie konnte man jemals dem Irrtum unterliegen, Helge Schneider sei „eigentlich“ Komödiant, Jazzer, Romancier, Filmstar oder gar Schlagersänger? Denn jetzt liegt der Beweis vor, daß Helge im Herzen ein Rocker ist: Das neue Album „Eiersalat in Rock“ (EMI) bietet so garantiert noch nicht gehörte Versionen aus dem Repertoire gepflegter Gitarrenmusik.
CITY.mag: Helge Schneider, wenn Sie jetzt auch noch ein Rockstar werden, was kann denn danach noch kommen?
Helge Schneider: Man müßte so einen Abgang machen wie Buddy Holly, mit dem Flugzeug abstürzen, dann kriegt man nachher auch sein eigenes Musical. Aber ich glaube, für mich persönlich wäre das nichts. Ich möchte gerne später mal als Rockwrack auftreten, in Jugendheimen.
CITY.mag: Zurück zu Ihren Anfängen, zurück zur Kleinkunst?
Schneider: Ich hab das nie so gesehen. Kleinkunst ist ein Begriff der Journalisten. Bei einem wie mir, der schon als Kind immer gern Gitarre spielen wollte wie Jimi Hendrix vor 100 000 Leuten, ist der Begriff Kleinkunst völlig fehl am Platz. Ich habe immer auch auf kleinen Bühnen den Riesenerfolgsstar gegeben, auch, indem ich mich selber in Frage gestellt habe und über mich selber lachen konnte. Eben nicht, indem ich über andere Leute hergezogen bin. Das unterscheidet mich auch von den Kabarettisten und Comedystars.
CITY.mag: Und wie grenzen Sie sich vom humorlosen Polit-Kabarett und den Comedy-Denunziationen ab?
Schneider: Ich habe nicht den Auftrag, politische Statements abzugeben, ich habe nicht den Auftrag, andere in die Pfanne zu hauen; das vermeide ich tunlichst. Ich möchte denen, die hingehen und für den Auftritt bezahlen, einen schönen Abend bieten. Aber manchmal ist es so, daß manche Leute das nicht zulassen. In der Vergangenheit war das so, daß die lauter waren als ich. Ich erinnere mich an einen Auftritt in der Hamburger Musikhalle. Ich wollte nach 20 Minuten nach Hause fahren, weil die nur geschrien haben: „Hel-gä, Hel-gä, Katzeklo, Katzeklo“ – alle besoffen. Und da habe ich gedacht: Nääh … Und aus dem Grund habe ich meine kleine Rockband gegründet. Dann braucht man nur die Gitarren aufzudrehen, und dann hören wir die nicht mehr.
CITY.mag: Das Album „Eiersalat in Rock“ ist ja praktisch der Soundtrack zu Ihrem jünsten Roman „Eiersalat“. Wie schaffen Sie es eigentlich, auch ständig noch literarisch tätig zu sein?
Schneider: Ich spiele eigentlich den ganzen Tag Musik und setze mich dann abends für 20 Minuten an die Schreibmaschine und schreibe eine Seite. Ich lese mir das nie nochmal durch. Ich schreib‘ immer, und dann schreib ich weiter; deshalb muß ich auch am Ball bleiben. Mehr als zwei Tage Pause dazwischen ist blöd. Dann schreibe ich 50, 60 Seiten auf die Art; kannste ausrechnen: sind drei Monate ungefähr. Und dann is‘ fertig, und ich geb‘ das ab. Da ist dann so‘n Lektor, der macht die Kommas anders. Dann soll ich das nochmal durchlesen zum Korrigieren, und da kann ich dir jetzt ein Geheimnis verraten: Ich mach‘ das einfach nicht. Ich ruf da eine Woche später an und sag: Hab ich gelesen, ist klasse, könnt ihr drucken.
CITY.mag: Ist das ein Spiel mit schlechter Kunst?
Schneider: Ist doch Geschmackssache. Ich finde, Kunst ist immer, wenn einer was macht, und andere Leute rätseln und entfalten ihre Fantasie. Vielleicht sind die Spice Girls in 100 Jahren ja auch Kunst. Rembrandt hat seine Schüler die ganzen Bilder ja auch vervielfältigen lassen, und die gingen als echte Rembrandts in den Verkauf. Vielleicht haben die Leute damals ja auch gesagt: „Das ist ja keine echte Kunst; was der kann, kann doch jeder. Nee, Rembrandt, laß ma‘.“
CITY.mag: Waren Songs wie „Katzeklo“ und „Fitze Fitze Fatze“ also Versuche, wie weit man den Schwindel treiben kann?
Schneider: Das war in beiden Fällen vollendeter Expressionismus; das war nicht gucken wie weit man gehen kann, das war einfach gemacht und sogar improvisiert. Bei „Katzeklo“ hab ich an der Orgel gesessen, mit jemandem telefoniert und dem gesagt: Hör mal, ich hab‘ ein neues Lied. Ich hatte aber noch gar keins. Und da hab ich das gesungen, ist hundertprozentig improvisiert. Und dieses Lied ist so berühmt geworden. Das ist der Beweis dafür, daß Kunst nicht unbedingt was mit einer langen Vorbereitungszeit zu tun hat.
Interview: Rolf von der Reith