Ida Sand: Die laute Leise
Ida Sand macht mit ihrem neuen Album „Do you hear me now?“ unmissverständlich deutlich, dass man sie besser nicht auf die Jazz-Röhre reduziert.
Ida Sand, der Rest von Europa hat seit Beginn der Pandemie zu euch rübergeschielt und vom „schwedischen Sonderweg“ gesprochen. Wie ist die Lage bei euch jetzt?
Ida Sand: In den letzten Wochen ist die Situation schon sehr angespannt gewesen. Die dritte Welle hat auch Schweden so hart getroffen, dass wir jetzt sehr strikte Einschränkungen haben – was natürlich auch die Kulturbranche lahmlegt. Ich selbst bin im Spätherbst letzten Jahres an Covid erkrankt und war Gott sei Dank nach zwei Wochen wieder einigermaßen fit.
Würdest du sagen, dass wir ohne Corona jetzt nicht über dein neues Album „Do you hear me now?“ sprechen würden?
Ida Sand: Ja klar, eigentlich hatte ich ganz andere Pläne. Die Pandemie hat das mit dem Album möglich gemacht. Auf einmal hatte ich jede Menge Zeit zum Songschreiben, es gab keine Ablenkungen. Die Musiker, mit denen ich arbeiten wollte, hatten Zeit, freie Studiotermine gab’s auch – also eigentlich beste Bedingungen.
Pop und Soul mit Jazzmusikern aufzunehmen, birgt das Risiko, dass so ein Kompromissding dabei herauskommt.
Ida Sand: Ich selbst stehe ja mit jeweils einem Bein in den beiden musikalischen Welten. Meine musikalische Sprache lehnt sich mehr an Soul und Blues an, aber die Attitüde, den Musikern große Freiräume zu geben, ist definitiv jazzy.
Ich habe das Gefühl, dass dir die Balladen leichter von der Hand gehen als Uptempo-Nummern. „Sweet Child“ zum Beispiel hat diese ruhige Stimmung eines frühen Joni-Mitchell-Songs. Schnellere Sachen dagegen wie etwa „Burning“ kommen so ein bisschen mit angezogener Handbremse um die Kurve.
Ida Sand: Da liegst du richtig. Es ist immer eine Herausforderung, die richtige Stimmung für den jeweiligen Song zu finden. Da du schon „Sweet Child“ ansprichst: Da habe ich ehrlich gesagt eher Bill Withers als Joni Mitchell im Hinterkopf gehabt. Ich wollte, dass da etwas Organisches entsteht – und ich glaube, es ist mir gelungen.
Man hört auch ein verändertes Timbre deiner Stimme: eher Songschreiberinnen-Sopran und kaum noch Jazz-Röhre.
Ida Sand: Ich wurde jahrelang als Sängerin mit genau diesem Jazzpotenzial verortet, und ich kann immer noch ordentlich Druck machen. Aber ich muss mir nichts mehr beweisen – und auch niemand anderem. Also ging es in der Tat darum, diese leisere Seite, die es auch schon immer in mir gegeben hat, stärker in den Vordergrund zu rücken.
Wird diese Art von Musik in Schweden im Radio gespielt?
Ida Sand: Ja, und ironischerweise werde ich auch mit den aktuellen Sachen noch immer eher auf Jazzkanälen gespielt. Was soll’s, immerhin bin ich präsent.