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Wo kaufe ich meine Bücher in Zeiten von Corona?

Buchhandel
(Foto: Pexels)

Die Buchhandlungen haben geschlossen, doch nie hatten wir mehr Zeit zum Lesen als jetzt während der Corona-Epidemie. Woher kriegen wir unsere Bücher?

Wo kaufe ich meine Bücher? Die Frage ist in Zeiten von Corona mehr als berechigt, mussten doch Buchhandlungen in den meisten Bundesländern vor zwei Wochen schließen. Doch die lokalen Läden haben auf diese Frage längst reagiert: Die Buchhandlung Roter Stern in Marburg liefert zu Fuß oder per Rad aus, die Buchhandlung Lüders in Hamburg Eimsbüttel macht’s genauso, außerdem kann man an der Tür klopfen und das Buch bei einem Spaziergang oder einer kleine Radtour selbst abholen. Die Sendlinger Buchhandlung in München fährt ebenfalls mit dem Radl aus, wenn der Radius stimmt, man kann per Webshop bestellen oder per Telefon, auch Mails werden selbstverständlich bearbeitet. In Berlin, wo Buchhandlungen nach Senatsbeschluss im Gegensatz zu anderen Bundesländern offensichtlich systemrelevant sind und deshalb weiter geöffnet bleiben dürfen, zieht der Krimibuchladen Hammett sein Ding durch. Man kann sich also weiterhin im Laden beraten lassen, zusätzlich gehen bestellte Bücher zwei Mal am Tag zur Post. Ganz geschlossen hat das Berliner KulturKaufhaus Dussmann. Allerdings profitiert Dussmann jetzt davon, dass das KulturKaufhaus schon seit langem einen gut ausgebauten Online-Shop besitzt und deshalb selbst jetzt fleißig liefert – auch Bücher. Die Corona-Epidemie macht erfinderisch – auf Seiten der Lese-Süchtigen genauso wie auf Seiten der Buchhandlungen oder der Buchverlage.

Dennoch ist offensichtlich, dass die Radkuriere der lokalen Buchhandlungen den Umsatzeinbruch nicht wettmachen können, den Ladenschließungen und eine leere Innenstadt am Wochenende oder Feierabend verursachen. Wenn dann noch ein Versandriese wie Amazon ausgerechnet jetzt vier Wochen braucht, um ein Buch zu liefern, sieht man, dass diese Killer des Einzelhandels genau dann nicht helfen wollen, wenn sie ausnahmsweise mal wirklich benötigt werden. Die Verlage und der Buchhandel organisieren sich derweil im Netz, Twitter-Hashtags wie #stayhomereadabook, #supportyourlocalbookstore, #BuchladenLiebe oder #staysaferead sind nur einer von vielen Wegen, um im Netz auf Gleichgesinnte zu treffen und sich und andere zum Buchkauf anzuregen.

Christina Knecht, die Pressechefin der Hanser Verlage, schaut trotz aller Widrigkeiten zuversichtlich in die Zukunft. „Die Buchhandlungen liefern einen sensationellen Service!“, lobt sie die Kreativität, mit der die Läden weitermachen, obwohl sie in den meisten Bundesländern schließen mussten. Aber was ist mit Haptik, sinnlicher Wahrnehmung und der Kaufentscheidung beim Flanieren? „Flanieren kann man auch im Internet“, antwortet Knecht  ganz pragmatisch, die sich im Übrigen im Home Office befindet und sich – wie auch der Autor dieser Zeilen – in Kurzarbeit befindet. Genauso pragmatisch geht der Hanser Verlag mit der Coronakrise und ihren Auswirkungen um, hatte aber auch Glück mit dem ersten Quartal des Jahres: Ein Großteil des Frühjahrsprogramms wurde zwischen Januar und März ausgeliefert, wichtige Titel wie Monika Helfers „Die Bagage“ oder „Das Gewicht der Worte“ von Pascal Mercier sind erfolgreich an den Start gegangen.

Manche Leseratten werden ihre neuen Lieblingstitel dennoch nicht kaufen können wie vorgesehen. Von den verbleibenden Titeln aus dem Frühjahrsprogramm werden sechs erscheinen – eventuell erst Ende Mai. 12 Titel werden in den Herbst geschoben. Das Herbst-/Winterprogramm der Hanser Verlage wiederum wird um ein Fünftel gekürzt. Auf E-Book Only aber wird man bei den Hanser Verlagen auf keinen Fall umsteigen. „Wenn im Herbst hoffentlich wieder Normalität eintritt, sollen die Buchhändler“, so Knecht, „schöne Bücher auslegen können.“ So wie Hanser ergeht es im Moment allen Verlagen, viele mussten  die Interview-Anfrage zu diesem Artikel absagen, weil man im Höchsttempo bei Kurzarbeit Lösungsstrategien entwickelt, um auch im Herbst noch gut aufgestellt zu sein.

Wenn in den Krankenhäusern Menschen sterben, sollte man nicht auf hohem Niveau jammern. Es ist aber durchaus eine Überlegung wert, ob Bücher nicht  – so wie auch Zeitungen und Zeitschriften – systemrelevant sind. Kleine Buchhandlungen sowie kleine und besonders feine Verlage stehen im Moment ganz besonders unter Druck, da kann auch der Rettungsschirm der Bundesregierung auf Dauer nicht groß genug sein. Ach, und dann sind da ja noch die Leserinnen und Leser, die an Ostern zu Hause sitzen werden und vorbildlich das Social Distancing praktizieren. Am besten mit einem guten neuen Buch in der Hand.

Jürgen Wittner

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