Jeff Mills
Fünf Jahre lebte Star-DJ Jeff Mills in Berlin und entwickelte im Tresor seinen minimalistischen, hart stampfenden Techno-Stil. Jetzt ist der Mann aus Detroit wieder da, um seine erste DVD zu promoten. Zwei Straßen entfernt von seiner alten Wohnung in Mitte treffen wir uns. Die ollen Mietshäuser von damals sind längst luxussaniert. Und Jeff Mills denkt schon jetzt an die Nachwelt.
_ulysses: Jeff, ist es nicht seltsam, dass die Menschen auf der Tanzfläche inzwischen nur noch halb so alt sind wie du?
Jeff Mills: Anfang der 90er war das natürlich anders. Da war man selbst genauso alt wie Tanzenden. Aber es macht mir nicht sonderlich viel aus. Zu Beginn einer Nacht vielleicht. Wenn man dann aber vom DJ-Pult blickt und mit der ersten Platte beginnt, wird alles zu einer Einheit. Alle Menschen hören die gleiche Musik, alle tanzen miteinander. Vielleicht ist es auch deshalb nichts Besonderes für mich, weil ich so etwas bereits zu Anfang meiner Karriere erlebt habe: Damals legte ich noch HipHop auf, war 20 – und die Kids auf der Tanzfläche gerade mal zehn.
_ulysses: Letztes Jahr hast du zur Loveparade eine Nacht lang nur souligen Disco aufgelegt. Einige deiner jüngeren Fans, die dem Godfather des Detroit-Techno huldigen wollten, waren irritiert. War das einfach nur ein Witz?
Mills: Es ist einfach eine Art Musik, die ich richtig klasse finde. Egal, wer zu einer Discoparty einlädt: Ich bin dabei! Ich liebe diese Musik. Ich mag ihren Glitter und liebe den Spaß, den sie auf so einfache Weise jedem bereitet.
_ulysses: Du stehst für den düsteren Detroit-Stil. Dein neues Album mit seinen Latino-Elementen erscheint dagegen wesentlich heller, freundlicher. Wirst du mit 40 etwa schon altersweise?
Mills: Ganz gleich, wohin du in Detroit gehst, du stolperst in die Latino-Szene. Und dann ist da noch mein altes Faible für Latinjazz. Selbst in meinen düstersten Tracks wirst du beim genauen Hinhören noch die Imitation von Samba-Trommeln entdecken. Ich bin zur Zeit wohl in einer Phase, in der ich verstärkt reflektiere, was meine musikalischen Wurzeln sind – genauso wie ich die Arbeit am DJ-Pult viel mehr reflektiere als vor zehn Jahren. So landen immer wieder mal ältere Tracks in den Sets. Das reicht von HipHop und House bis Elektro und New Wave. Ich will den Leuten zeigen, was sie alles verpasst haben – und was sich kennen zu lernen lohnt.
_ulysses: Für deine DVD hast du dich bei der Arbeit am Pult aus verschiedenen Perspektiven filmen lassen. Soll das eine Art Crashkurs „Wie ich Techno-DJ werde“ergeben?
Mills: Nein, ich habe mir vorgestellt, wie es ist, wenn wir alle ein ganzes Stück älter sind, sagen wir mal 70. Dann sehen wir uns die DVD an, und mit diesen Bildern kommen die Erinnerungen zurück. Auch unsere Generation wird eines Tages nach und nach verschwinden – und mit ihr die Informationen darüber, was sie ausgemacht hat. Zum Beispiel unsere Nächte in den Clubs. Diese DVD-Tracks sind einfach Memorabilia für spätere Zeiten.
Interview: Axel Schock