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Jess Walter: Die finanziellen Abenteuer des talentierten Poeten

Auf dem Papier stimmt alles: Der Wirtschaftsjournalist Matt Prior ist verheiratet, hat zwei Kinder, und sein Job wirft genug ab, um die Kinder auf einer Privatschule und die gesamte Familie inklusive dem senilen Vater in einem Eigenheim unterzubringen. Im Grunde lebt Matt den Traum der gehobenen Mittelklasse – oder, so muss man sagen: lebte. Bevor die Rezession zum Rundumschlag ausholte. Plötzlich ist seine Festanstellung passé, das finanzielle Aktienpolster wertlos, und die Hypothek auf dem Haus übersteigt den Wert desselben.

Matt wird in seinem eigenen Leben zum Nebencharakter degradiert, der lediglich noch auf die Machenschaften der Hauptakteure – Makler, Broker und Kreditunternehmen – reagieren kann. Und ganz nebenbei scheint es dann noch, als bröckelte auch seine Ehe bereits. Als er bei einem spätabendlichen Einkauf an ein paar Jungspunde gerät, mit denen er schließlich, wie er findet, ganz hervorragendes Gras raucht, steht bereits mehr als genug auf dem Spiel, um die Idee, zur Schuldentilgung vorübergehend Marihuana zu verticken, nicht als sinnvoll zu erachten … J

ess Walters Roman, so viel muss klar sein, ist zuvorderst Unterhaltungsliteratur. Der Amerikaner verhandelt die Wirtschaftskrise seiner Heimat mit zynischem Witz und spart dabei nicht an Pointen. Das Verhältnis von Tragik und Komik ist fein austariert und kommt wiederholt in der Einführung bittersüßer Running Gags zur Geltung. Walter schreibt seine Geschichte mit handwerklicher Sicherheit und selbstbewusstem Schwung, doch bleibt seine Perspektive eine beschreibende.

So lernt man Matt zwar kennen und verstehen, emotional bleibt man allerdings auf Abstand; während Matts Leben aus den Fugen gerät, greift auf der Textebene jedes Rädchen sauber ins andere. „Die finanziellen Abenteuer des talentierten Poeten“ liest sich wie eine tragikomische Soap mit anteilig politischer Motivation, was keineswegs so kritisch gemeint ist, wie man annehmen könnte. Denn Walters Roman ist weder frei von Eigensinn, noch von wertigem Inhalt. Er ist lediglich nicht von der Art, die man nach dem Zuklappen mit sich herumträgt. (lan)

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