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Jim White

Naiver Extremist

Aus dem Straßenarbeiter und Mode-Model Jim White wurde irgendwann ein großer Songwriter. Aber er hätte auch im New Yorker Untergrund verloren gehen können.

kulturnews: Jim, wie kommt eigentlich ein US-Model nach Holland?

Jim White: Ich lebte als Model in Italien und hatte Schwierigkeiten, Jobs zu bekommen. Ein Kollege empfahl mir, in die Schweiz zu gehen. Da war es auch nicht besser, aber ich erhielt den Tipp mit Amsterdam. Dort bekam ich tatsächlich eine ganze Weile genügend Aufträge.

kulturnews: Und wie hast du den Wechsel vom Model zum Musiker geschafft?

White: Ach, ich hatte Dutzende von Jobs. Ich war Bauarbeiter, arbeitete im Filmgeschäft, war zehn Jahre lang Taxifahrer, Tellerwäscher und Koch. Ich war sogar im Straßenbau tätig – definitiv der schlimmste Job, den man kriegen kann. Model und Musiker sind einfach nur zwei weitere Jobs in einer langen Reihe von Versuchen, meine Miete zu verdienen. Musik war eigentlich nur ein Hobby; das Songschreiben war meine Form des Selbstgesprächs. Und jetzt bin ich schon seit sieben Jahren Berufsmusiker! Dabei verdient man übrigens genauso viel wie als Tellerwäscher. Aber du triffst eine Menge nette Leute und bist dein eigener Boss.

kulturnews: Bei deinen Songs kommen einem unweigerlich surreale Filmszenen in den Sinn. Warum gibt es weder Drehbuch noch Soundtrack von dir?

White: Hey, ich habe sogar eine Filmhochschule besucht und sie mit Diplom wieder verlassen! Genau während des Examens schickte ein Freund eine Kassette mit meinem Songs an David Byrne, ohne dass ich davon etwas wusste – und Byrne bot mir an, auf seinem Label ein Album zu veröffentlichen. Das war natürlich ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Vielleicht finde ich aber eines Tages wieder zum Film zurück. Ich drücke mich immer in verschiedensten Medien aus; ich male, zeichne, fotografiere. Vielleicht schreibe ich auch mal wieder ein Drehbuch. Oder einen Soundtrack – wenn mich mal jemand danach fragt! (lacht) Auf jeden Fall werde ich einige Kurzgeschichten zu einem Roman umarbeiten.

kulturnews: Autobiografisch?

White: Ja, über die verrücktesten Momente meines Lebens. Ich war ein Leben lang Außenseiter und besitze eine bestimmte Art von Naivität, die mich immer wieder in extreme Situationen führt. Wenn mir jemand am U-Bahnsteig sagt: Komm mit! – dann gehe ich mit. Und gerate in die Stadt unter der Stadt. Wer weiß schon, dass es in den Katakomben der New Yorker U-Bahn eine richtige Stadt gibt, die sich dort die Obdachlosen aufgebaut haben? Ich habe immer in ärmlichen Verhältnissen gelebt und für mein Überleben kämpfen müssen. Das hat vielleicht dazu geführt, dass ich der Welt und den Menschen gegenüber sehr offen bin, vielleicht manchmal zu offen. So bekommt man Dinge zu sehen, die andere niemals zu Gesicht bekommen. Und sie sind das Material für alles, was ich schaffe.

Interview: Axel Schock

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