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Joachim Witt

Er war als Goldener Reiter ein Held der NDW. Nun feiert Joachim Witt mit mystischem Industrial sein Comeback. Seine CD heißt „Bayreuth 1“ (Epic).

KULTUR!NEWS: Herr Witt, warum haben Sie ihr Album bloß „Bayreuth 1” genannt?

Joachim Witt: Die tiefe Emotionalität und existentielle Naturverbundenheit bei Wagner haben mich immer angesprochen. Ich verstehe mich in seiner Tradition als deutscher Künstler. Man bekennt sich hier so schwer zu eigener Qualität. Tschaikowsky und Mahler liegen mir übrigens auch, wegen ihrer großen Traurigkeit und Angst.

K!N: Ihre Musik ist sehr hart und aggressiv, eine Mischung aus Industrial, Electro und Gothic. Sie selbst dagegen wirken verletzlich und vorsichtig.

Witt: Das rührt von einer gewissen Schizophrenie. Auf der Bühne kann ich Dinge ausleben, die ich privat nie täte. Sonst säße ich hier mit einem Psychiater an meiner Seite. Die Musik ist Selbsttherapie.

K!N: Ihre Texte handeln von Leid, Trauer, Untergang, gehen in den treibenden, harten Beats aber fast unter.

Witt: Das muß ich riskieren. Die Musik ist hart wie die Zeit, in der wir leben. Ich greife die Stimmung auf, die sozialen Spannungen. Wenn ich anderen Menschen mit meiner Musik ein Gefühl der Geborgenheit geben kann, dann wird mir warm ums Herz. Ich weiß, was in der Luft liegt.

K!N: Wie damals in der NDW?

Witt: Da herrschte Aufbruchstimmung, wir befreiten uns von den Fesseln der Vergangheit. Heute feiert man NDW aus Partylaune. Eine oberflächliche Angelegenheit.

K!N: Sie spielen aber doch auf solchen Parties.

Witt: Um ökonomisch klarzukommen und den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren.

K!N: Was kam nach Ihrem Hit „Der Goldene Reiter” von 1981?

Witt: Das ist Geschichte. Ein deutschsprachiges Loch. Erfolge und eine Durststrecke für mich. Das schärft den Blick.

K!N: Was macht Ihnen Sorgen?

Witt: Die Begrenztheit des menschlichen Beurteilungsvermögens. Es ist ein Trugschluß, alles gleichmachen zu wollen. „Kein Mensch ist illegal” – dieser Spruch hat mich geschockt. Man muß doch differenzieren. Was wir brauchen, ist eine neue Form der Demokratie. Die Machtverhältnisse müssen überdacht werden.

Interview: cor

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