Jochen Kuhn
Die Grenzen zwischen bildender Kunst und Film sind für Jochen Kuhn fließend. In seinen Kurzfilmen hält der gebürtige Wiesbadener vorzugsweise die Entstehungsphasen eines Bildes fest. Auch sein erster Kinofilm „Fisimatenten“ widmet sich der Malerei: Der Künstler Edward übermalt seine Bilder immer wieder. Warum ein Werk verendet, wenn es vollendet ist, erklärt der Regisseur dem city.mag.
city.mag: Geht es in „Fisimatenten“ um „Ein Leben für die Kunst“ oder „Die Kunst zu leben“?
Jochen Kuhn: Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte ich einen Film über die Kunstszene gedreht. In Wirklichkeit kläre ich in meinem Streifen aber existentielle Fragen wie „Soll ich ein Original oder eine Fälschung sein?“ oder „Habe ich trotz aller Freiheiten überhaupt eine Wahl?“
city.mag: Ist der mephistolische Kunsthändler Poser der Schlüssel zu diesen Fragen?
Kuhn: Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass Erwachsene heutzutage ohne einen gewissen Fundus an Zynismen gar nicht mehr über die Runden kommen. Erwachsen zu werden, heißt, lügen zu lernen. Posers Entwicklung vom Kunsthändler zum Fälscher ist charakteristisch für unsere Gesellschaft. Wer heutzutage mit Originalansprüchen kommt, macht sich der Naivität verdächtig.
city.mag: Haben Sie deshalb für Ihren Film den Untertitel „Wer keinen Erfolg hat, hat ihn nicht verdient“ gewählt?
Kuhn: Dieser Satz beinhaltet das Credo unserer neoliberalistischen Gesellschaft. Wer sich in seinem Job nicht durchsetzt, ist halt ein Loser.
city.mag: Demnach steht Edward also auf der Verliererseite?
Kuhn: Warum? Weil er es nicht schafft, ein Bild zu vollenden? Für mich beginnt die Malerei erst beim Übermalen. Wenn ein Künstler nicht mehr an einem Bild arbeitet, wird es zerstört. Die Signatur symbolisiert für mich Resignation.
city.mag: Edward geht noch einen Schritt weiter. Er tauscht sein Künstlerleben gegen einen Job in einer Bank ein. Ist das die totale Kapitulation?
Kuhn: Schwer zu sagen. Das Ende des Films ist offen. Ich überlasse es der Fantasie des Zuschauers, ob Edward wirklich bürgerlich wird oder nicht. Was „Fisimatenten“ aber deutlich macht, sind die Verquickungen von Kunst und Ökonomie. Heute will jeder kreativ sein. Banken machen beispielsweise Ausstellungen. Auf fatale Weise ist dadurch Beuys‘ Ausspruch: „Jeder ist ein Künstler.“ wahr geworden.
city.mag: Andererseits unterliegen auch Künstler ökonomischen Zwängen.
Kuhn: Richtig. Künstler sind nicht frei. Sie sind in alle Prozesse dieser Gesellschaft integriert.
Interview: Dagmar Leischow