Johanna Sinisalo: Finnisches Feuer
Die Stoßrichtung von Johanna Sinisalos dystopischem Roman „Finnisches Feuer“ wäre im Grunde eine ehrbare: Schauplatz der Handlung ist das Finnland des Jahres 2016, das zu einem politisch und wissenschaftlich fundierten sowie reglementierten Patriarchat mutiert ist. Nach vielen Jahrzehnten der Zucht- und Kontitionierungsbemühungen sind die Frauen im streng überwachten und prohibitionistischen Finnland nurmehr Gebärmaschinen, verpflichtet – und in der Regel freudig gewillt –, dem Mann treues Weib und Augenweide zu sein. Vera entspricht diesem passiven Idealbild in keiner Weise: Ihr Bildungsdrang ist so lebendig wie ihre Widerborstigkeit, sie ist eigenständig und mutig. In einem Staat ohne Alkohol, Tabak oder sonstiger bekannter Drogen sucht Vera ihre Sucht mit dem einzig verbliebenen und strikt verbotenen Suchtmittel zu betäuben: Chili …
Das Problem an Sinisalos Überspitzung einer im Kern berechtigten Gegenwartskritik ist: sie ist platt und ohne Fallhöhe. Aus fiktiven Wörterbucheinträgen, Gesetzestexten und Volksreimen collagiert die Autorin etlicher Science-Fiction-Romane eine Welt, deren Merkmale so zweckmäßig (und) vordergründig sind, dass sie wirkt wie ein Puppenhaus der Entartung. Was zwischen den Zeilen zu wenig steht, steht in ihnen zu viel, wenn zum Beispiel wieder einmal in tosenden Worten ein Chilirausch beschrieben oder betont wehmütig ein Brief verfasst wird. „Finnisches Feuer“ mag für manchen als Unterhaltungslektüre geeignet sein – dass ein wichtiges Thema in die Dienste eben dieses Zwecks gestellt wird, ist allerdings bedauerlich. Die schon allegorische Ironie sei an dieser Stelle verschwiegen. (lan)