John Malkovich
John Malkovich ist der Inbegriff des distinguierten Filmschurken: gebildet, gespalten, geschmeidig. So ein Stereotyp lässt nach Höherem streben. Seit 15 Jahren schon will Malkovich Regie führen. Nun ist es so weit: „Der Obrist und die Tänzerin“ ist ein Liebesdrama inmitten des peruanischen Guerillakrieges. Aber der Weltbürger John Gavin Malkovich strebt weiter: Nun will er Modeschöpfer werden.
kulturnews: Mr. Malkovich, Ihr Regiedebüt „Der Obrist und die Tänzerin“ befasst sich mit dem Krieg eines peruanischen Polizisten gegen den Leuchtenden Pfad. Warum ein politischer Stoff?
John Malkovich: Ich finde diesen Film nicht besonders politisch – höchstens in dem Sinne, dass er sich weigert, einer bestimmten Ideologie zu folgen. Die meisten Ideologien sind mörderisch. Für mich ist das eine Reflexion des Wesens von Korruption. Das Leben ist Korruption …
kulturnews: Glauben Sie nicht an Moral?
Malkovich: Es gibt Dinge, die ich nie tun würde: Menschen umzubringen, außer als Akt der Selbstverteidigung. Leute unfair zu behandeln, mit anderen respektlos umzugehen. Aber ob das moralisch ist? Vielleicht eher menschlich.
kulturnews: Sie gelten als aufbrausender Mensch, als Kind sollen Sie bei Wutanfällen gar von Ihren Eltern ausgesperrt worden sein. Verraten Sie uns Ihre dunklen Seiten?
Malkovich: Mein manchmal übellauniges Temperament ist eine, und meine Unfähigkeit, bisweilen nein zu sagen. Nicht aus Feigheit oder um andere glücklich zu machen. Sondern weil ich ständig denke: Das könnte interessant sein. Das sind wahrscheinlich die beiden schlechtesten meiner Eigenschaften.
kulturnews: Bereuen Sie eigentlich, einen bestimmten Film als Schauspieler gemacht zu haben?
Malkovich: Als ich am Theater arbeitete, konnten wir jahrelang die Miete nicht bezahlen, wir hatten eine Kühlbox statt eines Kühlschranks, und als ich 29 war, dachte ich mir: Wird Zeit, mal ein bisschen Geld zu verdienen. Geld ist was Feines. Man kann, wie ich, damit schöne Sachen machen, die mich nicht unbedingt weiter bringen. Aus dieser Sicht hätte ich wohl die meisten Filme nicht machen sollen.
kulturnews Sie gehören zu den wenigen amerikanischen Schauspielern, die eine echte Karriere außerhalb der USA haben. Wie ist das zu erklären?
Malkovich: Das ist keine bewusste Entscheidung. Aber dies ist eine große Welt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Journalisten am Set von „Gefährliche Liebschaften“. Er sagte (französischer Akzent): ,Was für ein Unsinn, einen Engländer wie Stephen Frears einen so französischen Stoff verfilmen zu lassen!’ Ich sagte: ,Henri, du glaubst, einer der größten französischen Romane ist so begrenzt, dass nur ein Franzose ihn verstehen könnte? Ist dir klar, was du damit über die französische Kultur sagst? Glaubst du wirklich, dass sie nicht großartig genug wäre, als dass irgendein Kind in Malaysia dieses Buch zur Hand nehmen und es wunderbar finden könnte?’
kulturnews: Was reizt Sie an Europa – ist es der Unterschied zur amerikanischen Kultur?
Malkovich: Es gibt diese merkwürdige Unterstellung, es gäbe keine Kultur in Amerika. Das ist keineswegs wahr. Es ist sicher eine ganz andere Art der Kultur, und man könnte behaupten, dass es in vielerlei Hinsicht keine Hochkultur ist – was immer das bedeuten mag. Aber ich liebe das Leben in Europa ebenso, wie ich es liebe, in Chicago zu leben.
kulturnews: Wo ist für Sie zu Hause?
Malkovich: Frankreich. Ich lebe dort, das ist das einzige Haus, das ich habe. Aber ich arbeite überall, und es gibt viele Orte, die mich inspirieren. Leider hat man nur ein Leben – so scheint es zumindest … .
kulturnews: Wie man hört, peilen Sie jetzt eine Karriere als Modemacher an. Stimmt das?
Malkovich: Schauen Sie mal! (zeigt das Etikett seines Jackets: John Malkovich). Ja, ich entwickle derzeit eine Modekollektion für Männer, gemeinsam mit Francesco Rulli. Wir arbeiten in Prato außerhalb von Florenz, und die Stücke werden in Japan geschneidert.
kulturnews: Sie entwerfen tatsächlich selbst?
Malkovich: Ja. Ich würde niemals meinen Namen einfach hergeben für etwas, das ich nicht selbst geschaffen habe. Nicht mal ich würde das tun.
kulturnews: Was interessiert Sie an Mode?
Malkovich: Wissen Sie, die meisten Dinge in meinem Leben mache ich, weil mich jemand darum bittet. Wenn mich eine solche Bitte in der richtigen Stimmung trifft, komme ich ihr nach. So gesehen bin ich ziemlich dumm. Wenn eines Tages jemand zu mir kommt und sagt: Hättest du nicht Lust, Astronaut zu werden? Ich würde es vielleicht auch tun.
Interview: Nina Rehfeld