Johnny Liebling
Johnny Liebling spielen eine siedendheiße Melange aus Chanson, Polka und Jazz. Die beiden Sänger Chris Kiel und Ralph Beulshausen tragen Nadelstreifenanzüge und singen über Liebe und Heroin. Wie passt das ins deutsche Jammertal von Hartz IV und Reformdebatte?
citymag: Ralph, Chris, ihr bringt ein Album mit dem Titel „Goldene Zeiten“ raus. Was ist das: Zynismus?
Ralph Beulshausen: Nee, das ist eindeutig Optimismus. Wir kämpfen uns so durchs Leben. Und das Leben als brotloser Künstler ist ja bekannt: Man haut sich die Nächte um die Ohren und hat unheimlich viel Spaß. Aber sozial ist man immer im Randgebiet.
citymag: Chris, früher hast du noch auf Englisch gesungen. Wie kam es zum Wechsel?
Chris Kiel: Für mich ist die deutsche Sprache immer noch ein unheimlich leeres Feld. Wir haben den HipHop etabliert, ansonsten klafft da nach dem zweiten Weltkrieg eine riesige Lücke – Sachen wie Brecht/Weill sind nicht fortgeführt worden. Und wir, die wir nicht HipHop und nicht Soul machen, wir beackern dieses unbestellte Feld. Das ist die Suche nach Authentizität. Zu gucken: Was haben wir in Europa? Polka, Chanson, den Beat, das Berlin der 20er …
citymag: Bei euren Konzerten ist die Inszenierung wichtig: Ihr tragt Nadelstreifenanzug und Lederhandschuhe …
Beulshausen: Ja klar, so bin ich aufgewachsen. Es kam dann irgendwann diese Grunge-Zeit, die habe ich gehasst von der Performance her, die Leute auf den Konzerten mit ihren gammeligen Klamotten. Ich finde es schön, wenn man was zu gucken hat. Sweet hätten sich nie mit ihren Straßenklamotten auf die Bühne getraut!
Kiel: Das ist die große Geste, das Pathos, das wir schätzen: Robbie Williams, Frank Sinatra, Serge Gainsbourg – solche Jungs.
citymag: Ist das etwas, das sich auf die Bühne beschränkt? Abends tragt ihr Anzüge und singt von Heroin, und am nächsten Tag steht ihr bei Aldi in der Schlange.
Kiel: Ja, das ist das Spiel mit den Eitelkeiten der Befindlichkeiten. Aber natürlich, wenn ich abends mit meiner Kleinen tanzen gehe, dann habe ich auch wieder meine weißen Schuhe an. Aber selbst der größte Gott muss in der Schlange stehen und sich eine Tiefkühlpizza kaufen – wenn er keinen Geschmack hat.
Interview: Alexander Rolf Meyer