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Joseph Fiennes

Joseph Fiennes hat’s mit dem Dichterfürsten und der Historie im Allgemeinen: Erst war „Shakespeare in Love“, nun schröpft ihn „Der Kaufmann von Venedig“. Dazwischen spielte der 34-jährige dann noch Martin Luther. Fiennes dreht nur, was er will. Aber weiß er eigentlich, in welchem Jahrhundert wir leben?

_ulysses: Mr. Fiennes, es ist auffällig, dass Sie oft historische Rollen spielen. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Joseph Fiennes: Nein, wenn ich ein Drehbuch lese, vergesse ich vollkommen, in welcher Zeit die Geschichte spielt. Ich würde auch in einem Science-Fiction-Film mitspielen, wenn mir der Erzählstil und meine Figur gefallen. „Der Kaufmann von Venedig“ ist für mich alles andere als ein Kostümschinken. Es ist ein modernes Stück, aus dem wir auch heute noch etwas lernen können.

_ulysses: Was denn?

Fiennes: Shakespeare war für mich ein großer Humanist, seiner Zeit weit voraus. Ich glaube, in „Der Kaufmann von Venedig“ geht es um die Fähigkeit, anderen vergeben zu können. Eine Botschaft, die wir auf jeden Fall auch in unserer Welt brauchen. Shakespeares Brillanz und Pacinos Performance machen uns klar, warum sich der Kaufmann von Venedig verraten fühlt und auf Rache sinnt, letztendlich doch verzeiht.

_ulysses: Das konnten Sie im Fall von „Luther“ angeblich nicht. Der Film über den großen Reformator war in Deutschland ein riesiger Erfolg, obwohl Sie sich davon distanziert haben …

Fiennes: Es gab Meinungsverschiedenheiten, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte. Mir wurde etwas versprochen, was dann nicht eingehalten wurde. Das regte mich auf. Ich habe die Rolle mit ganzem Herzen gespielt, und sie hat mir sehr viel bedeutet.

_ulysses: „Shakespeare in Love“ hat Sie bekannt gemacht, und Hollywood wollte Sie auf die Rolle des romantischen Liebhabers festlegen – sie haben sich gewehrt.

Fiennes: Es ist ja nett, dass man mir diese Rollen anbietet, aber da ergibt sich eben das Problem, dass man in eine Schublade gepackt werden könnte. Und es ist sicherlich toll, große romantische Abenteuer zu drehen. Aber ich mag vielschichtigere Rollen, das sind die Filme, die ich formelhaften Klischee-Romanzen vorziehe. Ich möchte gern etwas, was tiefer geht.

_ulysses: Wie ist das Verhältnis zu Ihrem älteren Bruder Ralph Fiennes? Fragen Sie ihn oft um Rat, wenn ein neues Rollenangebot hereinschneit?

Fiennes: Nein, jeder geht seinen eigenen Weg, und unser Motto bei Familientreffen lautet: Nicht über Jobs reden. Im Hause Fiennes gibt es jetzt eine neue Generation von Nichten und Neffen, und da bleibt neben dem Windelnwechseln gar keine Zeit mehr, über andere Dinge zu sprechen.

_ulysses: Können Sie Windeln wechseln?

Fiennes: Nein, ich verdrücke mich dann lieber (lacht).

_ulysses: Unter Ihren Geschwistern sind Sie der Jüngste. Waren Sie das Nesthäkchen der Familie?

Fiennes: Ich weiß gar nicht, ob ich der Jüngste bin. Ich habe einen Zwillingsbruder, und bisher hieß es, dass er zuerst geboren wurde. Aber dann habe ich gehört, dass er nach mir im Bauch heranwuchs.

_ulysses: Sieht er genauso aus wie Sie?

Fiennes: Äußerlich unterscheiden wir uns ein bisschen, vor allem aber beruflich. Er hat einen ganz anderen Weg als ich eingeschlagen und ist von Wildhüter.

_ulysses: Sie sind zu einem begehrten Star und Sexsymbol

geworden. Wie ist das so?

Fiennes: Gegenfrage: Ist das so? Das schreiben Journalisten wie Sie. Für mich hat das keine Bedeutung.

_ulysses: Nicht Journalisten, sondern das Publikum entscheidet darüber.

Fiennes:: Kann sein. Im nächsten Jahr ist es jemand anderes und im darauffolgenden Jahr wieder. Das darf man nicht so ernst sehen.

_ulysses: Wie gehen Sie generell mit Ihrem Ruhm um?

Fiennes: Ich gehöre nicht zu denjenigen, die das fördern und vertrete die Meinung, dass ein Schauspieler über seine Rollen definiert werden sollte und nicht darüber, was er privat anstellt. Deshalb ist es mir so wichtig, mein Privatleben zu schützen. Ich will nicht, dass meine Nichten und Neffen für die Öffentlichkeit fotografiert werden. Da kann ich richtig sauer werden, wenn es doch passiert. Natürlich muss ich Filme vermarkten, auf die ich sehr stolz bin, indem ich etwas über mich preisgebe. Aber ich versuche, eine Balance zu halten und mich von der Publicity-Maschine nicht auffressen zu lassen. Bisher hat das gut funktioniert.

_ulysses: Genießen Sie denn das Leben eines Filmstars?

Fiennes: Natürlich kann man sagen, dass ich jenseits meines Berufs kaum ein Leben habe. Ich bin vielleicht zwei Monate im Jahr zu Hause, schlafe selten in meinem Bett, lebe aus einem Koffer. Aber das habe ich gewählt – und insgeheim liebe ich es.

Intervierw: Markus Tschiedert

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