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Julian Benedikt

Beim Durchblättern gesichtsloser CD-Abteilungen ahnt kaum jemand, was für Geschichten man da unter den Fingern hat. Zum Beispiel die der deutschen Juden Alfred Lion und Frank Wolff. Von ihnen und ihrer legendär gewordenen Plattenfirma „Blue Note“ erzählt Regisseur Julian Benedikt in seiner vielbeachteten Filmdokumentation „Blue Note – A Story Of Modern Jazz“. Nach zwei CDs mit einer italienischen Rockband drehte der 34jährige gebürtige Marburger einen ersten Dokumentarfilm über seinen damaligen Schlagzeuglehrer Chico Hamilton. Nach einem weiteren über Jimi Hendrix und bevor er sich an das Drehbuch für den Hollywoodspielfilm über Duke Elllington machte, entstand „Blue Note“.

KULTUR!NEWS: Herr Benedikt, warum sind es immer wieder europäische Emigranten gewesen, die mit Plattenfirmen, wie Blue Note amerikanische Musikgeschichte geprägt haben?

Julian Benedikt: Sie kamen ohne Vorurteile nach Amerika. In diesen schwarzen Musikern haben sie etwas gesehen und waren sofort Feuer und Flamme. Das ist eigentlich der Hauptgrund, weil gerade Jazz eine sehr verruchte Musik war. Wenn in Hollywood in den 40er Jahren eine Liebes- oder Sexszene gespielt wurde, kam Jazzmusik.

K!N: Es muß besonders bei einem Musikfilm hart sein zu entscheiden, wo man kürzt …

Benedikt: Natürlich gibt es Stellen, die hätte ich gerne doppelt so lange gelassen. Aber die Geschichte von Blue Note ist eine sehr umfangreiche, wenn man die Zeitspanne und die verschiedenen Künstler in Erwägung zieht. Film zu machen ist sowieso ein ständiger Prozeß des Sichtrennens.

K!N: Die Musik wurde oft genau dann ausgeblendet, wenn ich begann, mehr davon hören zu wollen.

Benedikt: Das wollte ich erreichen. Die Leute sind schon mit so vielen Sachen besetzt, daß sie oft gar nicht merken, daß die Musik solch ein Spektrum von verschiedenen Stilrichtungen hat. Ich hab mit Freddie Hubbard gesprochen, der das Radio anmacht und plötzlich seine Trompetensoli in irgendeinem HipHop-Stück wiederfindet. Vielen Leuten sind die Melodien geläufig, aber selbst Kenner sind sich oft nicht bewußt, daß es zwei Deutsche waren, vor allem Alfred Lion, die das ursprünglich produziert haben.

K!N: Fühlen Sie sich in Amerika mittlerweile schon zu Hause?

Benedikt: Ich fühle mich da drüben ziemlich wohl, aber mein Blick ist der eines Europäers, egal, was ich mache. Das Trennende merke ich auch, den Rassismus, der teilweise immer noch besteht. Doch der Musik und den Musikern fühle ich mich sehr nahe. Ich überlege auch, eine Weile ganz rüber zu gehen.

K!N: Haben Sie eigentlich ein Lieblings-Blue-Note-Album ?

Benedikt: Ich habe einige Künstler erst durch diesen Film richtig entdeckt – aber Kenny Burrells „Midnight Blue“, was auch eines der Lieblingsalben von Alfred Lion war, gehört bestimmt zu meinen Favoriten.

Interview: Ralf Krämer

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