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Karl Ove Knausgård: Das Amerika der Seele

In der inzwischen eingestellten Fernsehsehndung „Zimmer frei“ hat es eine Rubrik gegeben: „Die ultimative Lobhudelei“. Einem der Gastperson wohlbekannten Menschen kam die Aufgabe zu, zwei Minuten lang Nettigkeit an Nettigkeit zu reihen, bis die Gastperson, blassrot vor lauter gespielter Genanz, endlich sagen durfte: Ach, nicht doch! Jetzt ist, wie gesagt, das Zimmer endgültig belegt, Affe tot, Klappe: die letzte. Aber wie wäre es denn, die „Lobhudelei“ zu retten? Mehr noch: zur abendfüllenden Sendung zu adeln, bestritten von niemandem als Karl Ove Knausgård.

Denn was die stärksten Momente aus dessen Essayband „Das Amerika der Seele“ auf schon anrührende Weise belegen, ist: Knausgård bewundert gern, und er bewundert präzise. Sei es die plötzliche Wirkung einer Fotografie oder das Œuvre des idolisierten Schriftstellers Knut Hamsun: Knausgård dringt tief in den Rezeptionsprozess ein. Oder: die Prozesse, wie es heißen müsste, da er sein eigenes Erleben stets im Kontrast zu und in Wechselwirkung mit prominenten Deutungen, epochalen Les- und Eigenarten, antroposophischen Betrachtungen verhandelt. Er ist scharfsinniger Analytiker und beharrlicher Exeget, und ihn seine Erkenntnisse, als Plädoyer für diese oder für jenen, darlegen zu lesen, ist mitunter wirklich fesselnd – weil beziehungsweise wenn es emotional ist.

Andere Passagen wiederum sind regelrecht fahrig geraten, orientierungs- und anlasslos. Es fehlt, trotz Knausgårds Existenzialismus-Fetisch, die Dringlichkeit, oder sie geht irgendwo zwischen Namedrop #137 und einer mitunter schon wissenschaftlichen Arbeitsweise verloren. Es ist, als vergesse Knausgård, wenn er über andere Künstler schreibt, ganz kurz die lähmenden Selbstzweifel, die behaupten, eine solche Wirkmacht würde ihm selbst niemals gelingen. Das ist sie längst. Allerdings nicht mit angestrengter Bedeutsamkeit, sondern dem exakten Gegenteil: lakonischer Alltagsprosa.

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