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Keb’ Mo’: Warten auf Keb‘ Mo‘

Warten auf Keb‘ Mo‘

Trubel auf dem Museumsschiff Cap San Diego im Hamburger Hafen. Peter Maffay präsentiert sein multikulturelles neues Album, eingespielt mit Menschen aus aller Welt, darunter der US-amerikanische Blues-Musiker Keb‘ Mo‘. Weshalb ich den erwähne? Der wird noch wichtig. Vom Management habe ich telefonisch die lose Zusage, mit Maffay allein sprechen zu können, „so irgendwann ab 22 Uhr“. Nun, nach Präsentation und Buffet, gilt es, den richtigen Menschen zu finden, der mit mir Maffay findet. Irgendwann finde ich eine hochblonde Mitarbeiterin seines Büros. Vielmehr: Sie findet mich. Ob ich noch einen Wunsch hätte.

Ja, ich suche Peter Maffay. Der ist noch oben, sagt sie, und wird am Tisch von Keb‘ Mo‘ erwartet, kommen Sie, ich bringe Sie zum Tisch von Keb‘ Mo‘. Wir gehen hoch, am Tisch kein Keb‘ Mo‘, kein Maffay. Warten Sie, sagt sie, ich hole Keb‘ Mo‘. Entschuldigung, nicht nötig, sage ich, ich möchte sowieso Peter Maffay sprechen.

Sag mal, fragt sie einen Kollegen, weißt Du, wo Keb‘ Mo‘ ist? Wahrscheinlich im Salon, sagt er. Kommen Sie, flüstert sie, wir gehen hoch in den Salon. Im Salon gedämpfte Stimmung und kein Keb‘ Mo‘. Aber Peter Maffay, gerade im Interview.

Klappt ja wunderbar. Ich nehme Platz im Vorraum, als nächster in der Schlange, die sich sicher gleich bilden wird. Die Blonde trollt sich.

Ich warte auf meinen Einsatz, verfolge zufrieden den Aufmarsch der Kollegen, die nach mir dran sein werden. Nach zehn Minuten kommt sie zurück, in heller Aufregung. Wild gestikuliert sie vom Treppenabsatz herüber. Kommen Sie! Kommen Sie! brüllt sie flüsternd, ich habe Keb‘ Mo‘! Ich stehe auf, gehe einige Schritte auf sie zu, sage: Entschuldigung, aber sie läuft erregt die Treppe hinab, weiter winkend – klar, schließlich hat sie Keb‘ Mo‘! Zögernd gehe ich zum Absatz, bange um den Platz in der Schlange. Ich bin der nächste bei Maffay, flüstere ich hinunter, ich darf meinen Platz in der Schlange nicht aufgeben. Sie: Keb‘ Mo‘ ist hier unten, kommen Sie, ich setze mich solange auf Ihren Platz! Aber ich möchte Keb‘ Mo‘ nicht sprechen, barme ich, ich will nur Peter Maffay sprechen!

Sie bleibt stehen. Sie erstarrt geradezu, Erkenntnis bahnt sich ihren Weg, wenngleich mühsam. Ja, drei Meter entfernt von mir ist jetzt alles schiere blonde Fassungslosigkeit. Aber vorhin, heult sie, wollten Sie doch noch Keb‘ Mo‘! Nein, flüstere ich verzweifelt treppab, ich wollte Maffay, immer nur Maffay! Sie hebt die Arme und wirft sie durch die Luft und jault im Abdampfen diesen Satz, den ich nie mehr vergessen werde: Ich mache dieses Spielchen nicht mehr mit!

Immerhin ist mein Platz noch frei, ein Glück. Ich habe weitere zehn Minuten Zeit, über die Tücken menschlicher Kommunikation nachzudenken, ohne freilich zu letzten Schlüssen zu kommen. Ah, jetzt ist Maffay frei, er stellt sich an die Theke zu seinen Mitarbeitern für einen Sekt zwischen zwei Interviews. Ich stelle mich dazu, warte auf die Chance, ihn zum Gespräch zu bitten, ohne dem Freundeskreis unhöflich in die Parade zu fahren.

Plötzlich beugt sich sein Manager zu mir herüber und flüstert: Sagen Sie, woran ist eigentlich das Gespräch mit Keb‘ Mo‘ gescheitert … ? Also, sage ich, ich wollte Keb‘ Mo‘ gar nicht sprechen, das war alles ein großes Mißverständnis, ich wollte Herrn Maffay sprechen, nur Herrn Maffay; so lautete mein Auftrag: MAFFAY.

Das ist aber, sagt er und mustert mich von der Seite, peinlich, wirklich sehr peinlich.

Später, auf dem Weg nach Hause, fühle ich mich echt scheiße. Keb‘ Mo‘ wahrscheinlich auch.

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