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„Kein Fiasko“ von Keimzeit: Helden aus der zweiten Reihe

Portraitfoto Keimzeit
(Foto: DTM)

Auskenner lieben die ostdeutsche Band Keimzeit seit vier Jahrzehnten. Auch, weil deren eigenwilliger Texter Norbert Leisegang nicht zu Gefälligkeiten bereit ist.

Norbert, dieses Jahr feiert ihr euer 40-jähriges Bühnenjubiläum und veröffentlicht passend dazu eure neue Platte „Kein Fiasko“. Wie sehr haben sich eure Arbeit, das Plattenmachen und die Musik verändert?

Norbert Leisegang: Vieles hat sich verändert, einiges ganz und gar nicht. Songs schreibe ich noch genau so wie vor 40 Jahren. Dazu brauche ich nur eine Gitarre, einen Bleistift und einen Block.

In dem Song „Thronräuber“ singst du: „Es ist ihm völlig egal, wofür du dich hältst, seine alten Könige köpft der Rock’n’Roll selbst.“ Das Köpfen von Königen ist historisch betrachtet ein sehr revolutionärer Akt. Wie hat sich der Rock’n’Roll in den 40 Jahren eurer Karriere revolutioniert beziehungsweise erneuert?

Leisegang: Keimzeit hat in den 40 Jahren nichts revolutioniert noch erneuert. Wir fahren von Anfang an auf den Autobahnen, die die Pioniere in den Sechzigern und Siebzigern gebaut haben. Wenn Köpfe rollen, dann scheint mir das organisch zu sein. Ein Akt der Natur.

Ihr sympathisiert in euren Songs häufig mit den Schlechtergestellten in unserer Gesellschaft. Es ist auch ein Groll gegenüber den Bessergestellten herauszulesen. Wie politisch sind eure Texte?

Leisegang: Die Helden aus der zweiten Reihe verdienen es, genannt zu werden. Von einem Groll bin ich da weit entfernt. Keimzeit-Songs sehe ich ganz und gar nicht politisch. Sie gehören aus meiner Sicht eher den Schönen Künsten an.

Ihr haltet Plädoyers für Entschleunigung und Entspannung unserer von Höher-Schneller-Weiter-Narrativen geprägten Gesellschaft. Wie sehr ist das heutzutage als Kulturschaffender mit starker Konkurrenz und finanziellem Druck möglich?

Leisegang: Wer schreibt, sollte sich nicht mit fruchtlosen Konkurrenzgedanken herumschlagen. Und für gute Finanzen finden sich bessere Tätigkeiten. Das war wohl immer schon so. Ich selbst neige zur Entschleunigung, da ich sehr langsam arbeite. Entscheidend ist nicht die Schnelligkeit. Wenn Gott beim Schreiben nicht anwesend war, dann ist es eben Mist.

Wurde das romantische Bild vom prekären Künstler:innendasein durch die Pandemie entmystifiziert?

Leisegang: Keinesfalls. Aber das darf jeder für sich sehen. „Kein Fiasko“ hat im übrigen nichts mit der Pandemie zu tun. Doch auch da sei jedem sein Bild gestattet.

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