„King of Stonks“ auf Netflix: Matthias Brandt lässt die Hosen runter
Die Serie „King of Stonks“ auf Netflix wurde von den „How to sell Drugs online“-Machern Matthias Murmann und Philipp Käßbohrer geschrieben.
In der neuen Netflix-Serie King of Stonks wird gerülpst, geschossen, gefeuert, gebrüllt, gefeiert, gekokst, gesoffen – und das alles oft gleichzeitig. Es geht um Finanzdienstleistung im großen kriminellen Maßstab. Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann („How to sell Drugs online (fast)“) verantworten die Satire auf den riesigen Wirecard-Skandal, den man in seiner großen Dimension nicht annähernd erfassen kann, wenn man sich trockene Nachrichten reinzieht. Die Opulenz des Finanzskandals, der auch ein politischer ist, bringen Käßbohrer und Murmann in Bilder, indem sie einen eh schon hervorragenden Schauspieler Matthias Brandt als CEO Magnus A. Cramer dauermanisch wie einen Duracell-Hasen durch die Szenen hetzen. Sein späterer Gegenspieler ist sein Kompagnon: Felix Armandt, gespielt von Thomas Schubert. Gemeinsam haben sie Cable Cash gegründet – damals noch mit Drogendealern und der Mafia als Kunden, denen sie das Geld wuschen –, jetzt geht Cable Cash an die Börse. King of Stonks zeigt, wie der größenwahnsinnige Cramer die Öffentlichkeit einerseits von seinem Unternehmen begeistern kann, andererseits aber nichts macht außer Öffentlichkeitsarbeit, und die ohne jede Kontrolle. Felix Armandt aber ist der Macher hinter den Kulissen, völlig ohne Charmisma, dafür aber Finanzexperte und Programmierer.
King of Stonks: Netflix führt zwei Hochstapler vor
Wenn Magnus A. Cramer auf der Bühne steht und sein Produkt preist, läuft er zu ganz großem Entertainment auf. Aber ohne Knopf im Ohr ist er ein Nichts: Felix Armandt sagt ihm Satz für Satz ganze Präsentationen vor. So sägen sie gemeinsam unliebsame Journalisten ab, die im Publikum sitzen; noch bevor diese ihre erste kritische Frage stellen können, sind sie desavouiert. Die völlig ahnungslose Digitalminiserin der Bundesregierung lügen sie von vorn bis hinten voll, aber das ist eher einer der ganz leichten Jobs. Was Felix Armand besonders gut kann, sind Bilanzfälschungen, denn ohne die käme Cable Cash nie an die Börse und wäre dort auch nie so erfolgreich, wie Wirecard es eine Zeit lang war. King of Stonks präsentiert zwei schillernde Hochstapler in einer Firma, die von CEO Magnus A. Cramer gerne als Familienunternehmen bezeichnet wird, was eher an die noch immer im Hintergrund Geld waschende Mafia erinnert als an ein echt sozial agierendes Unternehmen. King of Stonks präsentiert aber auch eine deutsche Gesellschaft, die nichts von den Tücken des digitalen Geldverkehrs versteht und die deshalb auch keine funktionierende Kontrollen entwickelt. Einfachste, schnell entwickelte Geldverschiebetricks, die an Hütchenspieler erinnern, lassen Cable Cash scheinbar immer weiter wachsen, während der SEO größenwahnsinnig schwadronierend jeglchen Bezug zur Realität verliert.
King of Stonks: Matthias Brandt spielt alle an die Wand
Das soll nicht lustig sein? Doch, ist es. King of Stonks macht die bittere Wahrheit vergessen. Die Serie will Unterhaltung, nicht die Lösung eines Problems liefern. Aber für letzteres ist eine Unterhaltungsserie ja auch nicht da. Immerhin holen die Menschen jetzt wieder alte Artikel über die Wirecard-Pleite raus und studieren sie noch einmal gründlich. Hier in der Serie kommt das staatliche Versagen – von der Finanzaufsicht BaFin über die Münchner Staatsanwaltschaft bis hin zum Bundesfinanzministerium – in den ersten drei gesichteten Folgen nicht vor. Es ist aber, wie gesagt, auch nicht die Serie „King of Versager“. jw