Aufbruch zum Mond
Oscar-Gewinner Damien Chazelle erforscht in „Aufbruch zum Mond“ nicht nur das All. Sondern vor allem das Innenleben der Pioniere, die den Weltraum eroberten.
Wer erinnert sich nicht an die Oscar-Verleihung 2017: Das Team von „La La Land“ hatte sich bereits auf der Bühne versammelt und begann mit den ersten Dankesreden, als sich herausstellte, dass die Umschläge vertauscht worden waren – der Preis für den Besten Film an „Moonlight“ ging. Sechs Auszeichnungen hatte das Musical vorher aber trotzdem noch abgeräumt – und mit „Aufbruch zum Mond“ erhält Regisseur Damien Chazelle nun sicher eine weitere Chance auf die Königskategorie.
Der Originaltitel des Films lautet „First Man“ und legt den Fokus damit nicht auf die historische Bedeutung der ersten Mondfahrt, sondern auf Neil Armstrong selbst. Denn auch, wenn zwischen dem nostalgiebeseelten Eskapismus von „La La Land“ und der vergleichsweise trockenen Wirklichkeitsnähe von „Aufbruch zum Mond“ einige Lichtjahre liegen: Kennt man Chazelles vorherigen Filme, wird recht schnell klar, was ihn an Neil Armstrong interessiert hat. Schon seit seinem Regiedebüt „Guy and Madeline on a Parck Bench“ (2009) spielen in Chazelles Filmen immer Menschen die Hauptrolle, die von etwas getrieben sind und die für das Erreichen ihrer Ziele alles andere hinten anstellen – vor allem zwischenmenschliche Beziehungen.
In „La La Land“ scheiterte die Liebe zwischen einem Pianisten und einer Schauspielerin an ihren Karriereambitionen; in „Whiplash“ (2014) lässt sich ein Jazzschlagzeuger so lange drillen, bis die Drumsticks blutig sind, er dafür aber endlich den perfekten Takt findet. Und nun eben Neil Armstrong: Der erlebt zum Schluss keine Trennung, schließlich ist Chazelle diesmal an historische Fakten gebunden und hat erstmals einen Film nach einem fremden Drehbuch inszeniert. Trotzdem steht der Astronaut und erste Mensch auf dem Mond klar in der Tradition seiner bisherigen Protagonisten. Gosling interpretiert ihn als einen männlichen Archetypen der 50er- und 60er-Jahre: Einer, der die Familie finanziell zusammenhält, aber emotional kaum Zugang zu ihr findet, der sich deshalb fast manisch in eine Aufgabe vertieft, in der Hoffnung, dadurch an sich selbst andocken zu können. Die Mondlandung ist in „Aufbruch zum Mond“ also weniger Pionierleistung als innere Mission. Erst im Apollo-Raumschiff verlässt Armstrong seine Lethargie, erst mit dem Ende des Countdowns fällt der graue Schleier vollends vom Film ab: Die Mondflugsequenz ist ein Spektakel zwischen Realismus und Aufbruchspathos.
Wenn die Kamera die Oberfläche der Rakete, die Gerätschaften im Inneren, den lodernden Feuerstrahl beim Start nicht nur observiert, sondern fast fetischisiert, gewinnt „Aufbruch zum Mond“ an Kraft und Wucht. Auch, wenn Armstrong das Visier seines Helms herunterklappt, um seine Freudentränen zu verbergen. msb
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