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Esther Abrami im Interview zu „Woman“

Esther Abrami
Esther Abrami (Foto: Stéphanie Volpato)

Auf „Women“ verneigt sich die Cellistin Esther Abrami vor wichtigen Frauen der Musikgeschichte. Und vor ihrer Oma.

Esther, du hast die Violine am Konservatorium in deiner Heimatstadt Aix-en-Provence, an der Chetham’s School of Musik in Manchester, am Londoner Royal College of Music und am Birmingham Conservatoire studiert. Wie viele klassische Komponistinnen sind dir im Unterricht begegnet?

Esther Abrami: Exakt eine. Clara Schumann. Und wer weiß, wie viel ihr berühmter Nachname daran schuld gewesen ist. Tatsache ist jedenfalls: Klassische Musik ist keine Männersache. Auch wenn man häufig diesen Eindruck bekommt.

Ein Eindruck, mit dem du jetzt aufräumen willst.

Abrami: So ist es. Mein Album „Women“ ist zu einhundert Prozent eine Verbeugung vor all den fantastischen Frauen, die über die Jahrhunderte und sämtliche Landesgrenzen hinweg außergewöhnliche Musik geschaffen haben. Ich bin überglücklich, diese und noch viel mehr Stücke von tollen Frauen gefunden zu haben und die Lebensgeschichten dieser Künstlerinnen mit meinem Publikum zu teilen. Gerade für junge Frauen, die Klassik lieben, ist es superwichtig, dass sie Vorbilder haben. Und nicht denken: Wenn ich kein Mann bin, wird das eh nichts.

Wer war denn dein weibliches Idol?

Abrami: Meine Oma. Das Stück „Transmission“, das ich selbst geschrieben habe, widme ich ihr. Großmutter hat ihre Karriere als Geigerin als junge Frau aufgegeben, um zu heiraten und Kinder zu bekommen. Sie hat sehr unter dieser Entscheidung gelitten, die allerdings typisch für ihre Generation gewesen ist. Frauen mussten zurückstecken, Männer nie.

Einen anderen Weg ist die Mitte des 19. Jahrhunderts in Brasilien geborene Chiquinha Gonzaga gegangen, von der du gleich zwei Stücke ausgesucht hast.

Abrami: Chiquinha war die erste Frau in Brasilien, die ein Orchester dirigiert hat. Übrigens noch so ein Punkt: Dirigentinnen. Es gibt viel zu wenige. Auch deshalb habe ich „Women“ mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien aufgenommen, das von der famosen Irene Delgado-Jiménez geleitet wird. Chiquinha jedenfalls wurde vom Vater gezwungen zu heiraten. Der Mann war sehr eifersüchtig und meinte: entweder das Klavier oder ich. Sie meinte, sie könne kein Leben ohne Melodien führen, und hat sich scheiden lassen. Zu der Zeit war das ein Riesenskandal.

Lange her.

Abrami: Einerseits. Andererseits hatte ich schon Beziehungen mit Männern, die mich gefragt haben, ob ich denn immer so viel üben müsse. Für mich ist es hart, einen Partner zu finden, der mein Leben und meine Karriere akzeptiert.

Du interpretierst das 900 Jahre alte Lied „O Virtus Sapientiae“ von Hildegard von Bingen, aber auch „Flowers“ von Miley Cyrus.

Abrami: Beide haben mehr gemeinsam, als man denkt. Sowohl Miley als auch Hildegard sind zu ihrer Zeit Pop, Hildegard sprach damals so ziemlich als erste über weibliche Lust und Themen wie Menstruation. Bahnbrechend. Und Miley ist einfach geil. Ich habe vor zwei Jahren sehr laut bei „Flowers“ mitgesungen, das war frisch nach meiner Trennung. (lacht)

Feminismus und Gleichberechtigung sollten heute ja an sich nicht mehr in Frage gestellt werden. Wie sind deine Erfahrungen in der klassischen Musikbranche?

Abrami: Vordergründig ist es besser geworden, logisch. Niemand würde mehr offen jemanden bevorzugen, weil er ein Mann ist. Aber auf subtiler Ebene geht es immer noch nicht wirklich fair zu. Ich lese tagtäglich im Netz Kommentare über mein Aussehen oder meinen Style. Einen Mann würde man mit solchen Oberflächlichkeiten ganz bestimmt nicht belästigen.

 

Foto: Stéphanie Volpato

 

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