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„Können Sie nicht mal was Schönes machen?“ – Swaantje Güntzel im Interview

Swaantje Güntzel
Swaantje Güntzel SEESTÜCK II / Hamburger Kunsthalle, 2020, Diasec, 80 x 120 cm (Abb.: Foto Henriette Pogoda, © Swaantje Güntzel VG Bild-Kunst Bonn 2021)

Die Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel thematisiert seit fünfzehn Jahren Klimawandel und Umweltverschmutzung. Warum ihre Kunst beim Überleben hilft.

Swaantje, Themen wie Umweltverschmutzung und Klimawandel werden immer lauter, auch in der Kunst. Wie kommt es, dass du dich damit schon seit fünfzehn Jahren beschäftigst?

Swaantje Güntzel: Als typisches Kind der 80er Jahre bin ich unter dem Eindruck der großen ökologischen Krisen aufgewachsen. Das hat mich schwerst beeindruckt und grundsätzlich viele Fragen aufgeworfen, mit denen ich mich bis heute beschäftige.

Hast du es in deiner Anfangszeit als schwierig wahrgenommen, dir mit deiner Kunst Gehör zu verschaffen?

Swaantje Güntzel: Der Anfang war sehr holprig. Die Menschen empfinden ein großes Unbehagen wenn sie sich mit Problemen beschäftigen, von denen sie eigentlich wissen, dass sie sie mit verursacht haben. Der Kunstbetrieb hat sich lange schwer damit getan, sich diesen Themen zu öffnen. Kunst bildet die Dinge nicht immer in Echtzeit ab, sondern verschleppt sie aus vielerlei Gründen – genauso wie bei Rassismus oder bei Sexismus.

In deinen Arbeiten wie den „Seestücken“ setzt du Müll dort in Szene, wo er irritiert und verstört. Reagieren Menschen auf solche Szenen in der Kunst empörter als in der freien Natur?

Güntzel: Ja, ganz sicher. Ich glaube, dass der Umgang mit dem öffentlichen Raum einer großen Schizophrenie unterliegt, weil wir eine verklärte Vorstellung davon haben, wie wir Landschaft sehen wollen. Gleichzeitig verdrängen wir aber, dass wir den öffentlichen Raum vermüllen. Bei der Seestück-Reihe fand ich das besonders reizvoll aufzuzeigen, denn ein Museumsraum ist mit klaren Regeln besetzt, und die Vorstellung, dass jemand dort einfach Müll verteilt, ist für die meisten schier unerträglich.

Für deine Kunst arbeitest du mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und bist im Austausch mit Meeresbiologen. Die Rolle der Wissenschaft hat im letzten Jahr enorm an Bedeutung gewonnen. Wirkt sich das positiv auf die Wahrnehmung deiner Kunst aus?

Güntzel: Indem ich mit der Wissenschaft zusammenarbeite, kann ich Themen in Echtzeit bearbeiten oder in einem Reaktionsrahmen, der auf Augenhöhe mit der Gesamtsituation ist. Wenn es um Wissenstransfer geht, der Erkenntnisse für Nicht-Wissenschaftler lesbar macht, kann Kunst eine große Rolle spielen – aber eben nur, wenn der Kunstbetrieb das auch zulässt.

Die Fridays-for-Future-Bewegung und Trendprodukte verstärken das Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Bleibt das? Oder ist das nur eine Mode?

Güntzel: Die Frage habe ich mir in letzter Zeit auch öfter gestellt. Ich habe aber nach wie vor die Hoffnung, dass es mit einer Bewegung dieser Form zu einem systemischen Wandel kommt, den es ganz dringend braucht. Ein wesentliches Problem sehe ich darin, dass Menschen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, nach dem Prinzip Shoot the Messenger ganz selbstverständlich diffamiert wurden. Wenn man nicht kommuniziert, dass man solche Krisen lösen kann, und das auch bei entscheidenden Akteuren nicht sieht, legitimiert das die Haltung, sich mit bestimmten Problemen nicht beschäftigen zu müssen.

Wie nah geht dir das, wie mit der Umwelt umgegangen wird?

Güntzel: Mir ist es über die Kunst gelungen, eine gewisse Distanz aufzubauen, als eine Art Bewältigungsstrategie, um genau mit dieser Frage umzugehen. Ohne die Zwischenstufe Kunst wäre ich nicht in der Lage, das auszuhalten. Es ist schön zu beobachten, wie das Thema jetzt auch bei Ausstellungsmacher*innen angekommen ist, die bei der Aufbereitung den Schulter- schluss zur Wissenschaft suchen.

Was wünscht du dir für die Welt und von deinen Mitmenschen?

Güntzel: Man muss den Fokus vom Individuum weg zu den Akteuren verlagern, die an viel größeren Hebeln sitzen, nämlich die Industrie und die Politik. Wenn man uns vor 20 Jahren erzählt hätte, in was für einer Welt wir jetzt leben, wär das eine apokalyptische Horrorversion. Da wären wir doch morgens nicht mehr aus dem Bett aufgestanden, und jetzt sitzen wir mitten- drin! Wenn wir aber kommunizieren, dass wir diese Dinge lösen können, dann hätten wir alle das Gefühl, wir ziehen am selben Strang und wollen gemeinsam als Menschheit überleben, denn wir reden hier über die Gefahr, dass wir uns als Zivilisation auslöschen!

Interview: Janka Burtzlaff

Die Ausstellung Swaantje Güntzel. Können Sie nicht mal was Schönes machen? ist seit dem 9. April bis zum 16. Mai in der Galerie Holthoff in Hamburg zu sehen. Die Arbeiten der Künstlerin können online angeschaut und erworben werden.

Swaantje Güntzel
Swaantje Güntzel: MIKROPLASTIK II, 2016 Foto: Henriette Pogoda, VG Bild-Kunst Bonn 2021
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