Konstantin Wecker
Anläßlich seiner Tournee sprach Deutschlands prominentester Justizfall über Brecht und Bühne, Sucht und Sühne.
KULTUR!NEWS: Herr Wecker, Sie vertonen für Ihr neues Programm Brecht-Gedichte. Was verbindet Sie mit Brecht?
Konstantin Wecker: Ich habe bereits vor 30 Jahren die ersten Brecht-Gedichte vertont, weil Brecht als Vorbild für einen jungen Liedermacher äußerst geeignet ist. Er hat selbst in Kneipen zur Gitarre gesungen, und seine frühen Gedichte haben eine ungemein poetische Kraft.
K!N: Haben sich die Erfahrungen mit der Justiz auf Ihre künstlerische Arbeit ausgewirkt?
Wecker: Ja und zwar insofern, daß ich einfach klarer, zielstrebiger und analytischer geworden bin. Weniger die Gerichtsverhandlung als die Erfahrungen mit dem Drogenentzug und die gnadenlose Auseinandersetzung mit meiner Vergangenheit haben sich auf meine künstlerische Arbeit ausgewirkt. Nicht, indem ich die Geschichte laufend thematisiere, vielmehr dadurch, daß ich jetzt mit mehr Bewußsein am Komponieren sitze.
K!N: Konnten Sie in der Vergangenheit Drogen und Bühne voneinander trennen?
Wecker: Bis zwei Jahre vor meinem Zusammenbruch konnte ich es trennen. Danach war die Droge so bestimmend in meinem Leben, daß ich die Bühne letztendlich nur noch als lästige Unterbrechung meines Drogenkonsums betrachtete. Ich habe nur noch darauf gewartet, daß ich wieder in die Garderobe konnte, um Drogen zu nehmen.
K!N: Kann man das Künstlerdasein ohne Drogen genießen?
Wecker: Man kann es nur ohne Drogen genießen. Natürlich war es zu Beginn – nachdem ich clean war – sehr problematisch. Plötzlich hatte ich nichts mehr, womit ich mich nach dem Konzert belohnen konnte. Ich mußte einfach wieder lernen, daß man sich nicht immer belohnen muß, sondern daß der Augenblick an und für sich schon Belohnung ist.
K!N: Wissen Sie schon, wo und wann Sie Ihre Haftstrafe absitzen?
Wecker: Ich hoffe immer noch, daß ich einen Revisionsprozeß bekomme und sie deshalb nicht absitzen muß. Sollte das nicht klappen, würde ich die Haft im Herbst – wahrscheinlich in einen norddeutschen Knast – antreten.
Interview: Jürgen Spieß